Erfahrungsbericht: Auf Expedition ins 5G-Land mit Xiaomi
Angeregt durch die Berichterstattung über den Start von 5G will man als Pionier des Mobilfunks natürlich gleich vorne mit dabei sein. Ich erinnere mich an mein erstes Telefonat im handvermittelten A-Netz der Deutschen Bundespost (vor sehr langer Zeit) und über die erste 5G-Probefahrt rund um die Winterfeldtstraße in Berlin hatte ich ja auch schon berichtet.
Wer aktuell mit 5G surfen oder darüber telefonieren möchte, hat derzeit noch wenig Auswahl an Endgeräten. Was es so gibt, liegt eher in der 800- bis 1000-Euro-Klasse, was manchen Geldbeutel „überstrapaziert“. Doch es gibt auch günstigere Optionen.
Bezahlbare Angebote von Xiaomi
Der chinesische Hersteller Xiaomi (sprich "Schoaumi") machte mit seinem Modell Mi Mix 3 5G Furore, das man mit etwas Glück im Netz bei chinesischen Internet-Portalen in deutscher Sprache schon um 300 Euro ergattern konnte, teilweise war es auch deutlich teurer.
Dieses Gerät kann offiziell 2G (GSM), 3G (UMTS), 4G (LTE) und 5G auf den Bändern n77 und N78 also bei 3,5-3,7 GHz. Damit konnte ich in Darmstadt schon im März am Hauptbahnhof den teltarif.de-Test „wiederholen“, je nach Standort waren dort 800-900 MBit/s möglich, ein Schritt nach Links oder Rechts kann das schon dramatisch ändern. In Berlin hat sich einiges getan. Dort ist inzwischen die 1000er-Marke knackbar.
5G auf 2100 MHz
Nur die kleine 5G-Anzeige über dem Feldstärkeanzeiger ("S-Meter") errät, dass das Handy sich mit 5G-NR-NSA verbunden hat
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Nun ist die Telekom auf 2100 MHz mit 5G und DSS (Dynamic Spectrum Sharing, das ist 4G und 5G zugleich) gestartet (und Vodafone hat ähnliches in petto). Dafür hatte Vodafone hatte neulich 700 MHz für 5G „freigeschaltet“ was für die Flächenversorgung interessant sein wird. Doch dafür bedarf es eines anderen Gerätes, weil das Mi Mix 3 5G - zumindest offiziell - das nicht kann.
Die Wahl fiel auf das Xiaomi Mi 10 5G Lite, das offiziell deutlich unter 400 Euro angeboten wird, bei einem bekannten Auktionshaus erspähte ich es für rund 350 Euro. Es kam per Express-Kurier binnen weniger Tage aus Italien.
Überraschung beim Einschalten
Das Xiaomi Mi 10 5G Lite beherrscht Dual-SIM-Betrieb im Nano Format. Dabei meldet das Telefon die erste Überraschung: Will man Dual-SIM-Betrieb fahren, steht 5G nicht zur Verfügung, stattdessen soll man sich mit 2x 4G (LTE) begnügen. Zu einem späteren Zeitpunkt könnte es ein Update geben, was OTA (Over the Air) ausgespielt werden soll und dann 5G / 4G-Betrieb - also 5G nur auf einem SIM-Slot erlauben könnte.
Ich habe also auf den Dual-SIM-Betrieb verzichtet und bin mit einer Telekom-Karte in einem aktuellen Magenta-Tarif der im Mi Mix 3 5G schon bewiesen hatte, dass er 5G kann, auf die Reise gegangen.
Erst das Programm "Netmonster" verrät, wie die 5G-Verbindung aufgebaut ist. 5G wird mit Carrier Aggregation (CA) an die 4G-"Basis-Zelle" "angeklebt"
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Das Mi 10 Lite beherrscht die 5G-Bänder n77,78 (3600), n7 (2600), n1 (2100), n3 (1800), n8 (900), n20 (800) und n28 (700), wobei das kleine „n“ auf die 5G-Fähigkeit hinweist.
Es ist beim Mi 10 wichtig, die Einstellungen zu checken. Nach dem Versuch des Dual-SIM-Betriebes könnte die Voreinstellung „4G bevorzugt“ lauten, man muss sie auf „5G bevorzugt“ umstellen.
Wer diese Einstellung nicht findet, sie ist unter Zahnrad (Einstellungen) - SIM-Karten und mobile Netzwerke - Telekom (falls eine Telekom-SIM-Karte verwendet wird) - Bevorzugter Netzwerktyp - 5G bevorzugen - zu finden. Wird das angeklickt, springt das Menü automatisch eine Ebene zurück.
Hilfreiche Apps zum Netztest
Um zu erfahren, was sich im Netz so tut, habe ich zwei Programme installiert: Einmal den „Netmonitor von Vitaly V“ (Android), den es in einer kostenlosen und einer einmalig 5,49 Euro kostenden „Pro“-Version gibt.
Die Pro-Version unterstützt dann zwei SIM-Karten und gibt Infos über Frequenzband und Empfangsqualität. Ein weiteres hilfreiches Programm ist NetMonster, das auch anzeigt, welche Bänder per Carrier Aggregation „aneinander geklebt“ sind. Beide Programme gibt es übrigens nur für Android, jedoch nicht für iOS.
So schnell ist das 5G-Netz
Wo ist denn nur 5G?
In der Winterfeldtstraße in Berlin wo definitiv einer der allerersten 5G-Sender auf 3,5-3,7 GHz funkt, sahen wir im Netzmonitor LTE 1800 und 2600. Man würde dann auch eine Anzeige von 3600 erwarten, aber das kann nicht gehen.
5G-NSA ist ja derzeit ein „Add-On“ zu 4G, und die meisten Netzmonitor-Programme „sehen“ das nicht. Dass das Handy funktioniert, zeigt ein unscheinbares „5G“ oben rechts über der „S-eMter“-Balkenanzeige der Signalfeldstärke. Beim Mi 10 zeigt Netmonster auch die Carrier-Aggregation von 4G-1800 und 5G an, nannte aber keine 5G-Frequenz.
Solche Download-Werte erwartet man von 5G und sie sind möglich, hier mit dem Xiaomi Mi Mix 3 5G
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Wie schnell ist das Netz?
In Berlin Mitte wurde es etwas kurioser. Mitten in der Stadt zeigte das Mi 10 wie erwartet „5G“ an und lieferte mit der bekannten „Speedtest App“ etwa 250 MBit/s im Download. Soweit so schön.
Ein SIM-Karten-Wechsel in das Mi Mix 3 5G lieferte die Überraschung: 980 Mbit/s an der gleichen Stelle. Woher das rührt, ist uns noch nicht ganz klar. Hatte sich das Mi 10 in niedrigeren Frequenzbändern eingebucht? Oder kam es mit dem 5G-Signal auf 3600 MHz noch nicht klar?
Wie wirkt sich DSS aus?
Die Telekom setzt DSS (Dynamic Spectrum Sharing) ein. Diese Technik erlaubt es, auf einer Frequenz parallel LTE oder 5G-NR auszustrahlen, das Endgerät nimmt sich das „Passende“.
Das Mi 10 sollte DSS beherrschen, bestätigte uns Xiaomi auf Anfrage, das sei aber „ab Werk“ deaktiviert, weil es die Netzbetreiber noch nicht „bestellt“ hätten. Eine Aktivierung durch den Kunden sei nicht vorgesehen, ob es „geheime“ Codes oder Menüs gibt, wurde von Xiaomi dementiert.
An exakt gleicher Stelle die 5G-Messung, jetzt aber mit dem Xiaomi Mi 10 5G Lite
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Ein in Erwägung gezogenes OnePlus 8 beherrscht die DSS-Technologie der Telekom noch nicht, das geplante Update werde sich noch etwas verzögern, war zu erfahren. Auch das Samsung Galaxy S20 benötigt noch etwas Nachhilfe durch neue Software, die es im Moment auch noch nicht gibt. Bliebe noch das Huawei P40, das dem Vernehmen nach die neue Technik schon locker beherrscht, aber aufgrund politischer Verwicklungen keine komplette Software von Google bekommen darf.
Das mögen manche Kunden sogar „gut“ finden, wer mit seinem Handy bezahlen oder bestimmte Apps laden möchte, findet das unpraktisch.
Lust auf 5G?
Wer sich für 5G interessiert: Das ist ein neuer Abschnitt der Mobilfunkgeschichte, wo Pioniere gefragt sind, die sich für das Thema interessieren und nicht gleich verzweifeln, wenn es auf Anhieb noch nicht funktioniert. 5G wird kommen, schneller als gedacht, spätestens gegen Jahresende, wenn das neue iPhone mit 5G-Unterstützung im Markt ist, wird das Thema neuen Schub bekommen.
Technische Influencer und Multiplikatoren haben schon ein 5G-Handy. Wer sich dafür interessiert, wird sicher auch bald dabei sein. Wer noch sein GSM-only Schätzchen hütet, sollte sich langsam wenigstens ein Modell mit 4G-LTE inklusive VoLTE zulegen. Sonst ist er bald abgehängt, besonders bei Reisen ins benachbarte Ausland.