Prüfung

IPTV: Verstößt Arcor gegen Patentrechte?

Diepholzer Firma prüft Patentrechtsverletzung durch Timeshift-Funktion
Von Thorsten Neuhetzki /

Seit dem Frühjahr kündigt der Eschborner Telekommunikationsanbieter Arcor die Einführung seines Internet-Fernsehens (IPTV) an. Bislang gibt es jedoch lediglich ein Pilotprojekt in Kassel. Der offizielle Marktstart ist für den Herbst angekündigt. Doch nun könnten Arcor zumindest für eine seiner angekündigten Funktionen Probleme ins Haus stehen. Dabei geht es um die so genannte Timeshift-Restart-Funktion. Mit dieser sollen die Kunden eine TV-Sendung auch dann von Beginn an schauen können, wenn diese bereits läuft und die Kunden erst viel später den Fernseher einschalten.

Nun prüft die Diepholzer artec technologies AG nach eigenen Angaben ob genau diese Funktion möglicherweise ein Patent des Unternehmens verletzt. Nach einer Mitteilung der Firma hat das deutsche Patent- und Markenamt für das im Jahr 2000 entwickelte und 2001 zur Prüfung angemeldete "Verfahren zur netzwerkbasierten Aufzeichnung und Wiedergabe von multimedialen Streams" abschließend im Juni 2006 einen Patentschutz erteilt. Besonderes Merkmal des patentierten Verfahrens sei die Möglichkeit, die auf einem zentralen Server fortlaufend mitgeschnittenen Inhalte schon während der Aufzeichnung per Video-Stream zeitversetzt abrufen und wiedergeben zu können. Der Zuschauer kann somit bei verspätetem Einschalten laufende Sendungen von Beginn an sehen, das laufende Programm anhalten sowie zu gewünschten Szenen vor- und zurückspulen.

Timeshift Restart ersetzt die Festplatte beim Kunden

Funktionen dieser Art sind unter der Bezeichnung "Timeshift" auch bei Festplattenrecordern und Set-Top-Boxen gebräuchlich. Bei der strittigen Methode erfolgt die Aufzeichnung jedoch nicht beim Anwender, sondern auf einem zentralen Server. Die auf dem Server abgelegten Inhalte können dann bereits im Verlauf der Aufzeichnung von einer Vielzahl von Nutzern individuell abgerufen werden.

Aus Sicht von artec technologies gibt es verschiedene Anhaltspunkte dafür, dass die von Arcor angekündigten Funktionen unter Verletzung des von artec technologies per Patent geschützten Verfahrens erfolgen. Aktuell prüfen die Anwälte der artec technologies daher mögliche Ansprüche gegen Arcor wegen Verletzung von Patentrechten. Von Arcor war zu dieser möglichen Patentrechtsverletzung keine Stellungnahme zu erhalten. Man kenne die Mitteilung des Unternehmens, hieß es auf Nachfrage. Allerdings könne man derzeit nichts dazu sagen.

Entwicklung im Fall artec/Arcor bleibt abzuwarten

In der Vergangenheit gab es immer wieder Streit um verschiedene Softwarepatente. So hat etwa Alcatel-Lucent gegen Microsoft geklagt. Grund war die MP3-Funktion im Media-Player. Dabei hatte sich Microsoft die Lizenzen für die MP3-Nutzung vom Fraunhofer Institut gekauft. Immerhin hat später ein US-Gericht das Urteil gegen Microsoft aufgehoben. Die Strafe hätte 1,5 Milliarden Dollar betragen. Abgewartet werden muss nun, ob hier wirklich die im Patent beschriebenen Rechte verletzt wurden. Sollte das der Fall sein, müsste Arcor, sofern man sich handelseinig wird, entweder Lizenzgebühren an artec zahlen oder müsste die Restart-Version anders lösen.

Auch im konkreten Fall bleibt abzuwarten, ob artec mit der Durchsetzung des Patentes Erfolg haben wird. Schließlich handelt es sich wohl um ein Verfahren, welches überwiegend als Software auf Standard-Servern implementiert ist. Reine Software-Ideen sind jedoch in Europa generell nicht patentierbar. Eine entsprechende EU-Richtlinie wurde nach langem politischen Tauziehen letztendlich abgelehnt. Arcor könnte daher versucht sein, das Patent gerichtlich anzugreifen, wenn artec auf allzu hohen Lizenzzahlungen besteht.

artec wird im Fall des Streits nachweisen müssen, dass ihre Erfindung nicht nur aus Software besteht, sondern auch einen ausreichend großen technischen Beitrag liefert, also beispielsweise nur mit dedizierter Hardware oder speziellen, nichttrivialen Netzkonfigurationen funktionsfähig ist. Zu Hardware-lastig darf es aber auch nicht werden, denn dann könnte das Patent an "prior art" scheitern, also früheren, ähnlichen Erfindungen. Denn dedizierte Timeshift-Geräte, die auch als Server remote bedient werden können, gibt es bereits seit Jahrzehnten. Sie sind beispielsweise von der Zeitlupenfunktion bei Sportübertragungen her bekannt. Dass nun nicht nur der Redakteur im Studio, sondern auch jeder User diese bedienen kann, könnte man als ganz normale technische Weiterentwicklung werten.