Streit

Richtlinienentwurf über Software-Patente auf der Kippe

Mehrere Fraktionen wollen den umstrittenen Text ganz ablehnen
Von AFP / Björn Brodersen

Der heftig umstrittene EU-Richtlinienentwurf für Software-Patente steht auf der Kippe. Einen Tag vor dem entscheidenden Votum im Europaparlament kündigten heute vier kleinere Fraktionen an, sie wollten einen Antrag auf Zurückweisung der Vorlage stellen. Dem könnte sich auch die Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP), die größte Gruppe im Europaparlament, anschließen. Er werde dies der Fraktion am Abend vorschlagen, sagte deren rechtspolitischer Sprecher Klaus-Heiner Lehne (CDU). Sollte das Parlament diesem Antrag am Mittwoch zustimmen, wäre die Richtlinie defintitiv vom Tisch.

Die Kehrtwende der EVP - die das Vorhaben bislang unterstützt hatte - erfolgte, nachdem am Vormittag heftiger Widerstand gegen die Vorlage deutlich wurde. Bei einer mehrstündigen Debatte äußerten zahlreiche Abgeordnete unterschiedlicher Fraktionen Vorbehalte gegen die Pläne von Kommission und Ministerrat, computergesteuerte Geräte von der Waschmaschine bis zum Auto-Navigationssystem künftig EU-weit durch Patente zu schützen. Damit sei keine klare Trennlinie zwischen technischen Erfindungen und Computerprogrammen gewährleistet, sagte die österreichische Grüne Evelin Lichtenberger. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) würden so ins Hintertreffen geraten. Diese hätten keine Chancen, sich bei teuren Rechtsstreitigkeiten gegenüber Großkonzernen durchzusetzen.

Parlmentarierin: "Patente auf Ideen sind inakzeptabel"

"Patente auf Ideen sind inakzeptabel", betonte auch die portugiesische Sozialistin Ilda Figueiredo. Kleine und mittlere Unternehmen müssten die Möglichkeit haben, auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Computerprogramme herzustellen. Dies dürfe nicht das Privileg einiger Großkonzerne wie Microsoft sein. Der fragliche Entwurf sei eine "Monopol-Richtlinie", die die "Rockefellers unterstützen und den Kleinen schaden" würde, kritisierte der aus den USA stammende spanische Grüne David Hammerstein.

Der Berichterstatter, der französische Sozialist Michel Rocard, schlug eine Reihe von Änderungsanträgen vor, mit denen die Patentrechte eng eingegrenzt werden sollen. So will er dafür sorgen, dass "reine Datenverarbeitung" sowie Computerprogramme und deren Bestandteile wie etwa mathematische Algorithmen oder Rechenregeln aus dem Monopolschutz ausgenommen werden.

Angesichts der möglichen Zustimmung des Plenums zu diesen Einschränkungen plädierten schließlich auch Befürworter der Software-Patente für die Ablehnung. Sinnvoller als eine unzulängliche Richtlinie sei ein ganz neuer Ansatz, sagte die finnische Konservative Piia-Noora Kauppi. "Wir brauchen ein umfassendes europäisches Patent-System".

Europäisches Patentübereinkommen sieht keine Software-Patente vor

Um die geplante Richtlinie tobt seit Monaten eine ungewöhnlich hitzige Lobby-Schlacht. Die Europaabgeordneten erhielten Tausende von E-Mails und Briefen - sowohl von Gegnern der Patentpläne, die das Recht auf intellektuelle Freiheit in Gefahr sehen, als auch von Großunternehmen, die einen Schutz ihrer Erfindungen fordern. Fünf Riesen der Informatikbranche - Alcatel, Ericsson, Nokia, Philips und Siemens - warnen vor den "negativen Folgen", sollte die Richtlinie scheitern. Dies würde in Europa zahlreiche Arbeitsplätze gefährden und Forschung und Entwicklung beeinträchtigen.

Das Europäische Patentübereinkommen sieht keine Patente für Software vor. Dennoch erteilte das Europäische Patentamt in München nach Auskunft Rocards bereits rund 30 000 Software-Patente. Offiziell genießen Autoren von Software in Europa derzeit Rechtsschutz über das Urheberrecht. Dieser ist verhältnismäßig einfach zu erlangen. Anträge auf Patente sind hingegen komplex und mit bis zu 50 000 Euro auch wesentlich teurer.