Prognose

Experten: IPTV-Anbieter brauchen langen Atem

Keine Umsatzerwartungen an das Internet-Fernsehen knüpfen
Von dpa / Björn Brodersen

Die Telekombranche hat nach dem Mobilfunkstandard UMTS einen neuen Hoffnungsträger gefunden: Dem lahmenden Inlandsgeschäft soll die Übertragung von Fernsehbildern über das Internet (IPTV) auf die Sprünge helfen. Die Deutsche Telekom setzt große Hoffnungen auf das Geschäftsfeld und hat sich dazu eigens die Übertragungsrechte für die Fußball-Bundesliga gesichert. Auch wenn bislang nur einige wenige Kunden das neue Angebot nutzen, zeigt sich Konzernchef Kai-Uwe Ricke vom Erfolg überzeugt. Rund eine Million Kunden will er bis Ende kommenden Jahres für seinen neuen Dienst unter Vertrag nehmen. Experten sind weniger euphorisch.

Mit IPTV wollen die Telekomfirmen das Fernsehen neu erfinden. "Es entsteht hier nicht nur ein weiterer TV-Vertriebskanal, sondern ein neuer Markt für innovative Anwendungen", sagt Telekom-Vorstand Walter Raizner. Dabei denkt er etwa an "Video on Demand" - also das Herunterladen von Filmen. Der TV-Zuschauer wird damit zum eigenen Programmdirektor. Die Telekom verspricht sich von dem neuen Geschäftsfeld zusätzliche Einnahmen, mit denen die Rückgänge im traditionellen Festnetzgeschäft ausgeglichen werden sollen. Die Preise und die Angebotspalette will der Konzern auf der Internationalen Funkausstellung (IFA) in Berlin präsentieren.

Kunden ist der Mehrwert von IPTV schwer zu vermitteln

Den Einstieg in das neue Geschäftsfeld haben sich die Bonner viel kosten lassen. Für rund drei Milliarden Euro baut die Telekom ein schnelles VDSL-Netz, auf dem die neue Medienvielfalt transportiert werden soll. Bislang sind zehn Ballungsgebiete angeschlossen - 40 weitere sollen bis Mitte kommenden Jahres folgen. Neben der Telekom plant auch eine Reihe anderer Telekomfirmen den Einstieg ins IPTV. Experten warnen allerdings davor, zu große Hoffnungen in das junge Geschäft zu setzen. "Es ist das Fernsehen von Morgen, aber es ist derzeit schwer, den Kunden den Mehrwert zu vermitteln", sagt Philipp Geiger von dem Beratungsunternehmen Solon [Link entfernt] .

Die bisherige Entwicklung gibt ihm Recht: Mit zwei Millionen Nutzern weltweit sehen die Marktforscher von Gartner IPTV noch in den Kinderschuhen. Die Ausbreitung laufe unter den Erwartungen. Nach Einschätzung von Solon werden bis Ende 2010 in Deutschland etwa zwei Millionen Haushalte auf das Fernsehen über Internet zurückgreifen. "Ich würde keine Umsatzwartungen an IPTV knüpfen", sagt Solon-Experte Geiger.

Enorme Wachstumschancen für Kabelnetzbetreiber

Das Vordringen der Telekomkonzerne in das neue Geschäft ist auch eine Reaktion auf die Expansion der TV-Kabelnetzbetreiber. Diese rüsten derzeit ihre Netz auf, um damit Telefonie und Internet-Zugang über das TV-Kabel anbieten zu können. Mit günstigen Bündelangeboten von Telefonie, Internet und Medieninhalten nahm Marktführer Kabel Deutschland (KDG) der Telekom schon einige Kunden ab. Die Experten von Solon und Gartner bescheinigen den Kabelnetzbetreibern enorme Wachstumschancen durch den Einstieg in die Telefonie. Mit rund 50 Milliarden Euro ist der deutsche Telekommarkt rund zehn Mal so groß wie das Mediengeschäft.

Ein wirkliches Wachstum können die Telekomfirmen also nur über eine Weiterentwicklung des Mediengeschäfts erreichen. Dies brauche sein Zeit, damit die Kunden die neuen Produkte, die es derzeit zum Teil noch gar nicht gebe, auch verstünden, sagt Geiger. "IPTV ist daher eher eine Langfrist-Strategie."