Hochdruck

Experten: Festnetz-Handy der Telekom kommt spät

Konkurrenten sind längst auf dem Markt
Von dpa / Marie-Anne Winter

Festnetz und Mobilfunk wachsen zusammen. Diesem Trend kann sich auch die Deutsche Telekom nicht länger verschließen: Wie bereits berichtet will das Unternehmen auf der Internationalen Funkausstellung (IFA) in Berlin ein integriertes Festnetz-Handy vorstellen. Statt eines Festnetztelefons und eines Handys könnten die Kunden damit künftig nur noch mit einem Gerät auskommen.

Die Telekom hat in ihrem Festnetzgeschäft seit Jahren mit einer Umsatzerosion zu kämpfen. Neben alternativen Anbietern wie Arcor oder Versatel setzen die Mobilfunkkonzerne Vodafone, E-Plus und o2 dem Branchenprimus zu, denn die Menschen greifen immer häufiger zum Handy statt zum Festnetz-Telefon. Verstärkt wird die Entwicklung durch den laufenden Verfall der Mobilfunkgebühren. Mit eigens auf Festnetznutzer zugeschnittenen Mobilfunk-Angeboten wie o2 Genion und Vodafone Zuhause lotsen o2 und Vodafone weitere Kunden in ihre Netze. Zuletzt trumpfte E-Plus mit dem Produkt Base auf, das ein Pauschalangebot für Festnetz-Telefonate enthält und verstärkte damit den Druck auf die Telekom-Festnetzsparte T-Com.

Kombi-Produkt soll Umsätze im Konzern halten

Der Erfolg der Konkurrenz zwingt die Telekom zum handeln. Durch eine stärkere Vernetzung von Mobilfunk und Festnetz werden die Umsätze der Sparte T-Com zwar weiter unter Druck geraten. "Mit dem geplanten Festnetz-Handy wird das Unternehmen aber zumindest einen Teil der Umsätze im Konzern behalten können", sagt ein Branchenanalyst. Die Entwicklung des integrierten Angebots verzögerte sich wegen konzerninterner Reibereien zwischen der Mobilfunksparte T-Mobile und dem Festnetzbereich, die sich laut Angaben von Insidern noch immer nicht über die Aufteilung des Umsatzes einigen können.

Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke räumt dem kombinierten Telefon hohe Priorität ein und will es persönlich vorstellen - normalerweise überlässt der Unternehmenslenker dies den zuständigen Sparten-Vorständen. "Wir werden für Nur-Mobilfunkkunden eine Homezone-Lösung und für Kunden, die ihren gewohnten Festnetzanschluss behalten wollen, ein Dual Phone anbieten", kündigte Ricke kürzlich an. Das Festnetz-Handy soll ein erster für Kunden greifbarer Erfolg der Neuausrichtung werden. Die Telekom hatte zum Jahreswechsel 2004/05 die Vier-Säulen-Struktur aufgelöst und sich auf die Wachstumsfelder Mobilfunk, Breitband/Festnetz und Geschäftskunden fokussiert.

Die Telekom ist spät dran

Nach Ansicht von Experten ist die Telekom spät dran mit ihrem Festnetz-Handy. "Wer für sich in Anspruch nimmt, Innovationsführer zu sein, der muss als erster mit so einem Dienst auf dem Markt sein", sagt Martin Gutberlet vom Marktforschungsinstitut Gartner. Marktforscher raten Telekomkonzernen schon seit Jahren, mit einer Verzahnung von Festnetz und Mobilfunk stärker auf Kundenbedürfnisse einzugehen. Viele Menschen wollen statt vieler verschiedener Geräte ein Telefon, mit dem sie von unterwegs und über das Festnetz telefonieren können. Als Vorbild gilt der frühere britische Monopolist BT Group, der im September sein Festnetz-Handy "Fusion" auf den Markt bringt.

Ganz verschwinden wird das Festnetz aber nicht. "Es wird immer Menschen geben, die über das Festnetz telefonieren wollen", sagt Gartner-Experte Gutberlet.