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Editorial: Das Wettrennen

Mehr Tempo für DSL
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Die nächste große offene Frage ist auch, ob die neuen Highspeed-Angebote ihren Nutzerkreis finden werden. Die Möglichkeiten der DSL-Technologie steigern sich derzeit nämlich schneller, als der Bandbreitenbedarf der Nutzer. T-DSL ist in der Standardvariante ca. 16fach schneller als der herkömmliche Internetzugang über ISDN- oder Analoganschluss. Demgegenüber bietet ADSL2+ nochmal die 16fache Temposteigerung.

Bei den Downloadzeiten wirken sich die höheren Bitraten jedoch nicht im gleichen Maße temposteigernd aus. So benötigt man im Optimalfall gut elf Minuten, um den fünf Megabyte großen Alternativ-Browser Firefox für Windows über eine ISDN-Leitung zu saugen. Mit T-DSL 1000 sinkt die Zeit auf unter eine Minute. ADSL2+ schafft den Download - optimale Server-Anbindung vorausgesetzt - in ca. drei Sekunden. Die Zeitersparnis des Anwenders beim Wechsel von ISDN zu DSL 1000 beträgt somit gut zehn Minuten, beim Wechsel von DSL 1000 zu ADSL2+ hingegen nur noch knapp eine Minute. Ob Kunden wegen dieses vergleichsweise kleinen Vorteils bereit sein werden, bei Versatel den im Vergleich zum DSL 2000 doppelt so teuren ADSL2+-Anschluss zu wählen?

Auch sonst spricht noch nicht viel für superschnelle DSL-Anschlüsse: Bei normalen Web-Seiten haben bereits heute die Leistung des Servers und des darstellenden PCs und Browsers mehr Einfluss auf die Ladezeiten, als der zugrundeliegende DSL-Anschluss. Ein MP3-codierter Song ist auch über DSL 1000 von einem gut angebundenen Server schneller geladen, als sein Abspielen dauert. Video-Streaming überschreitet bei Verwendung aktueller Codecs bereits bei 1 MBit/s VHS-Qualität, und erreicht bei 2 bis 3 MBit/s in etwa DVD-Qualität.

Bitraten deutlich jenseits von 3 bis 6 MBit/s ergeben somit nur dann Sinn, wenn der Download von Kinofilmen, kompletten Daten- und Spiele-CDs/-DVDs oder ganzen Betriebssystemen "am Stück" zur Regel wird. Da die jeweiligen Rechteinhaber jedoch eine Heidenangst vor voll digitalen Kopien haben, wird noch etliche Zeit ins Land gehen, bevor solche Download-Angebote in größerer Stückzahl legal bereit stehen. Bei illegalen Downloads sind die jeweiligen Quellen zumeist so schlecht angebunden, dass sich höhere Bitraten eh nicht erreichen lassen. Dort, wo die Vervielfältigung unlimitiert ist, etwa bei Debian-Linux, gibt es bereits viele günstige CDs/DVDs als etablierte Alternative zu Gigabyte-Downloads.

Somit ist zu erwarten, dass die Tk-Industrie versuchen wird, die hohen Bitraten durch emotionales Marketing zu verkaufen, weniger durch das Überzeugen mit handfesten Vorteilen. Versatel setzt in der aktuellen Kampagne zu ihren schnellen DSL-Anschlüssen ganz bewusst auf das "rauschhafte Erlebnis", das mehr Geschwindigkeit bringen soll: DSL statt LSD. Geht die Rechnung der Konzerne auf, werden schnelle DSL-Anschlüsse zum Statussymbol: Wer es sich leisten kann, hat den Porsche vor der Tür und DSL 16000 samt W-LAN im Haus.