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Editorial: Mehr Megabits

Oder: Brauchen wir die Bandbreiten wirklich?
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Zunächst einmal einen herzlichen Glückwunsch an die Ingenieure von Siemens, die es geschafft haben, auf einem nur 100 MHz breiten Funkkanal 1000 MBit/s an Daten zu übertragen. Das entspricht 10 Bit pro Sekunde und Hertz. Zum Vergleich: GSM kommt nach Wegrechnen der Trainings- und Korrektur-Bits auf Werte von nur 0,5 Bit pro Sekunde und Hz. UMTS ist derzeit auch nicht besser, bietet jedoch gegenüber GSM den Vorteil, dass benachbarte Zellen auf derselben Sendefrequenz arbeiten können. Die neue Siemens-Technik überträgt also 20 mal mehr Bits pro Sekunde und Hertz, als die bestehenden Techniken!

UMTS wird allerdings etwas aufholen, da der Turbo-Downlink HSDPA bereits in den Startlöchern steht. Die eigentliche Geschwindigkeitssteigerung erreichten die Siemens-Techniker bei ihrem Gigabit-Funknetz jedoch dadurch, dass sie sowohl auf Sender- als auch Empfängerseite jeweils mehrere Antennen verwendeten. Mit geeigneten mathematischen Methoden konnte der dabei entstehende Wellensalat wieder getrennt werden, so dass die hohen genannten Bitraten erreicht wurden.

Wer braucht die Bandbreite?

Trotzdem darf und muss man die Frage stellen, welchem Anwender der hohe technische Aufwand nutzen wird, der für solche Netze getrieben wird. Erwartet die Industrie wirklich, dass sich künftig in jeder Mobilfunkzelle tausend Nutzer aufhalten werden, die alle mit DSL-Tempo Daten saugen? Oder geht es bei den aktuellen Forschungen zu 4G, dem Netz nach 3G/UMTS, vor allem um ein virtuelles Kräfteringen, gemäß dem Prinzip: Wer die beste Konzeptstudie für 4G vorstellen, verkauft die 3G-Technik am besten?

Als die DVD entwickelt wurde, schien sie der einzig gangbare Weg, um einen kompletten Videofilm in guter Qualität auf eine Silberscheibe zu bannen. Inzwischen ist es dank moderner Codecs aber bereits möglich, 60 bis 90 Minuten Film in fast-DVD-Qualität auf einer normalen CD unterzubringen. Sicherlich hält die Zukunft hier noch weitere Optimierungen parat.

Ein Szenario für die mobilen Gigabit-Netze könnte der massenhafte Ersatz von stationären Internetzugängen durch mobile Datendienste sein. Jedoch hat dieses Szenario einige Haken: Innerhalb von Häusern ist auch bei den derzeitigen Mobilfunknetzen die Versorgung nicht optimal. Die Bitrate einer Zelle wird immer zwischen allen Nutzern dieser Zelle geteilt, was lokal zu Überlastungen führen kann. Die Besitzer von stabilen stationären DSL-Anbindungen wird man also allenfalls durch einen günstigeren Preis zum Umstieg auf "surf@home" in Gigabit-Netzen bewegen können. Für mobile Endgeräte dürfte hingegen auf lange Zeit UMTS mehr Bit/s liefern, als diese wirklich verarbeiten können.