Fokussierung

Marktchancen kleinerer Mobilfunkbetreiber

Neue Studie über die Mobilfunker der 2ten Reihe
Von Marie-Anne Winter

In nahezu allen europäischen Mobilfunkmärkten gibt es einen oder mehrere Mobilfunkbetreiber, die in der 2ten Reihe stehen und sich gegen starke Marktführer behaupten müssen. Starke Betreiber sind solche mit einem Marktanteil von über 25 Prozent und einem Zeitvorsprung von durchschnittlich sechs Jahren, die sie früher an den Markt gehen konnten. Baumgartner & Co Business Consultants zählt in Europa 18 Mobilfunker der 2ten Reihe, von 41 Mobilfunkbetreibern insgesamt. Betroffen sind 12 europäische Mobilfunkmärkte - in Großbritannien, Griechenland und Norwegen gibt es keinen Operator in der 2ten Reihe.

Die Unternehmen in der 2ten Reihe sind überspitzt formuliert der "arme Mann" der Mobilfunkindustrie. Sie haben zwar 20 Prozent Volumenmarktanteil gewonnen, aber nur 9 Prozent des EBITDA der Branche. Dies repräsentiert zwar immer noch eine durchschnittliche EBITDA-Marge von 19 Prozent, von der andere Industrien träumen, aber die hohen Investitionen in die Netzinfrastruktur treiben die Abschreibung nach oben, und die notwendige Fremdfinanzierung führt zu einer erheblichen zusätzlichen Last.

Preisgestaltung ist wichtiger als Marktanteil

Das Unternehmen hat untersucht, auf welche Strategien diese Anbieter in Zukunft setzen sollten. Basierend auf einer Marktstudie und persönlichen Interviews mit Managern dieser Mobilfunkbetreiber der 2ten Reihe, hat Baumgartner & Co. deren Situation analysiert und die verschiedenen Strategien bewertet. Interessanterweise zeigten die Analyse der Mobilfunkmärkte und der jeweilige wirtschaftliche Erfolg der Mobilfunkbetreiber der 2ten Reihe, dass die gängigen Begründungen für die Unterschiede im EBITDA nicht stimmen. Weder die Penetration, noch die Anzahl der Jahre am Markt oder der Anteil von Prepaid-Karten im Markt haben eine Korrelation mit dem Marktanteil der Mobilfunkbetreiber der 2ten Reihe. Es wurde lediglich klar, dass Mobilfunkbetreiber mit einer absoluten Kundenzahl über 2 Millionen eine positive EBITDA-Marge erreichen.

Viel wichtiger ist beispielsweise die Preisgestaltung, die sich über die Nutzung im ARPU niederschlägt. Mobilfunkbetreiber der 2ten Reihe, die es geschafft haben, sich vom Markteintrittsvehikel Preisvorteil zu entfernen und die Lücke zum ARPU der Marktführer zu schließen, erzielen deutlich höhere EBITDA-Margen als ihre vergleichbaren Wettbewerber in anderen Märkten.

Diese Hypothese wird durch die Feststellung unterstützt, dass eine größere Differenz beim ARPU (Umsatz pro Kunde) nicht zu einem höheren Mengenmarktanteil führt. Deshalb postuliert Baumgartner & Co, dass Mobilfunkbetreiber der 2ten Reihe ein anderes Verkaufsargument als den günstigen Preis finden müssen.

Natürlich spielt auch die interne Effizienz eine Rolle. Erfolgreiche Mobilfunkbetreiber der 2ten Reihe haben es geschafft, ihre operativen Kosten im Zeitablauf zu optimieren, was ihnen geholfen hat, die Profitabilität zu verbessern und höhere EBITDA-Margen zu erzielen.

Die drei Strategien der Mobilfunker

Insgesamt wurden drei Strategien festgestellt, die erfolgreiche Betreiber der 2ten Reihe verfolgen, nämlich Fokussierung, Mengenwachstum und Netzauslastung.

Fokussierung: Statt alles jedem anzubieten, haben diese Betreiber begonnen, sich stärker auf ein Segment des Marktes zu fokussieren. Dies ist hauptsächlich das Segment der Vieltelefonierer bei den Privatkunden mit einer Erweiterung hin zu den Selbstständigen und dem kleineren Mittelstand auf Seiten der Geschäftskunden. Großkunden bleiben aufgrund der Komplexität der Lösungen (insbesondere in der Abrechnung) und den fehlenden Beziehungen zu diesem Segment komplett außen vor. Als Beispiele nennt Baumgartner & Co Produkte wie Genion von o2 in Deutschland oder Bundle-Angebote von Bouygues Telecom in Frankreich.

Es gibt immer noch einige Mobilfunkbetreiber der 2ten Reihe, die versuchen, mit einer Erhöhung ihres Volumenmarktanteils die kritische Masse für eine langfristige Geschäftsgrundlage zu schaffen. Dieser Weg kann nach Ansicht von Baumgartner & Co aber nur von den Betreibern gegangen werden, die Mitglied einer internationalen Mobilfunkgruppe sind. Nur mit diesem Hintergrund reicht der Atem, um mit Preissenkungen Kunden zu gewinnen.

Die dritte strategische Variante der besseren Netzauslastung kann etwa über den Verkauf von Netzkapazität - Sprache oder Daten – als Großhändler erfolgen. Kunden dafür können Unternehmen aus anderen Industrien sein, die einen besseren und/oder direkteren Kundenzugang haben. Beispiele dafür sind die verschiedenen MVNO(Mobile Virtual Network Operator)-Varianten innerhalb Europas (z.B. Virgin mit T-Mobile in Großbritannien, in der Schweiz plant Tele2 ein MVNO-Modell).

Wachstum durch Festnetzsublimierung

Bei der Analyse der Erwartungen bezüglich des Marktwachstums der Mobilfunkbetreiber der 2ten Reihe zeigte sich, dass alle Betreiber das Umsatzwachstum kurz- und mittelfristig im Sprachbereich sehen, während die Datenumsätze erst in den langfristigen Planungen eine wichtigere Rolle spielen. Der Grund für die Wachstumserwartungen im Sprachbereich ist aber nicht das klassische Wachstum durch Erhöhung der Penetration, sondern die Substitution von Festnetzgesprächen durch mobile Dienste.

Das liegt zum einen an den sinkenden Preisen für Sprachdienste - die zwar noch immer teurer als im Festnetz, aber eben oft nicht mehr so viel teurer sind - die zu einer erhöhten Nutzung führen. Zum anderen durch die Alterung der Bevölkerung, die dazu führt, dass die heute jugendlichen Anwender in das Berufsleben eintreten. Diese Gruppe von Mobilfunknutzern ist mit allen Möglichkeiten der mobilen Nutzung bestens vertraut und nutzt sie entsprechend. Das Festnetz wird also nicht auf Grund einer Angleichung im Preis verlieren, sondern gegen den Wandel des Kommunikationsverhaltens der nachwachsenden Generationen.

Die Erwartungen für Datenumsätze liegen deutlich im langfristigen Bereich, dort allerdings mit extremen Wachstumsraten. Ausgehend von dem heutigen Anteil von 15 Prozent Datenumsätze (inklusive SMS und MMS) an den Gesamtumsätzen, soll dieser Anteil auf 25 Prozent innerhalb von fünf Jahren steigen. Danach erfolgt eine leichte Verringerung der Wachstumsraten auf einen Prozent-Punkt pro Jahr auf insgesamt 40 Prozent Anteil Datenumsätze am  Gesamtumsatz mit Mobilfunk im Jahre 2013.

Erfolg durch Konzentration

Ausgehend von der heutigen Position der Mobilfunkbetreiber der 2ten Reihe und den Erfolgsfaktoren der "Winner", bietet die Fokussierungsstrategie vermutlich die beste Aussicht auf einen langfristigen Wertzuwachs. Es sei aber wichtig dabei zu beachten, dass der Fokus auf die Jugendlichen und/oder das Segment der Vieltelefonierer gerichtet ist. Die reine Jagd nach Volumenmarktanteil ist nach Baumgartner & Co die schlechteste Alternative, weil sich die dazu notwendigen Marketing-Investitionen kaum auszahlen werden.

Die große Herausforderung für Mobilfunkbetreiber der 2ten Reihe liege im Wandel von einem marktanteilsgetriebenen hin zu einem kundenwertorientierten Unternehmen. Der lieb gewonnene morgendliche Blick auf die Bruttoaktivierungen des Vortages müsse einer systematischen Analyse von Kundenbestand und Nutzungsverhalten weichen.