Kritik

VATM: Neuer TKG-Entwurf gefährdet Marktbalance

Verband bemängelt fehlende Vorgaben für stabile Wettbewerbsbedingungen
Von Marie-Anne Winter

Wie berichtet, steht die Bundesregierung nach langem Hin und Her nun vor der Verabschiedung eines Entwurfes für das neue Telekommunikationsgesetz (TKG). Nach zähen Verhandlungen der beteiligten Ressorts ist die Bundesregierung damit einen Schritt weiter auf ihrem Weg zur Umsetzung des von der EU vorgesehenen neuen Rechtsrahmens für den Telekommunikationsmarkt.

Wie nicht anders zu erwarten war, werden die letzten Änderungen von den Wettbewerbern kritisiert. Mit dem neuen Entwurf werde die ursprüngliche vom Bundeswirtschaftsministerium angestrebte Balance im Markt deutlich zugunsten der Deutschen Telekom verschoben. Wie der VATM in einer Pressemitteilung schreibt, bestand im Markt Einvernehmen darüber, dass von der Telekom den Wettbewerbern Vorleistungen ohne Hintertürchen und Zeitverzögerungen zur Verfügung gestellt werden müssten und zum anderen eine strenge Kontrolle bei Marktmissbräuchen gewährleistet sein sollte, damit das Unternehmen sobald wie möglich aus der Regulierung entlassen werden könne.

"Dem Abbau der Endkundenregulierung steht nun leider eine schwache Vorproduktregulierung gegenüber. Stück für Stück wurden zentrale Forderungen und Formulierungen des Fachministeriums aufgeweicht und damit die erforderliche effiziente Regulierung ausgehöhlt," erklärt Peter Wagner, Präsident des VATM. Nach dem ursprünglichen Entwurf sollte die Telekom zur Bereitstellung bestimmter wesentlicher Leistungen verpflichtet werden, wie zum Beispiel Inkasso und Resale, um auch im neuen Rechtsrahmen Planungssicherheit für alle Unternehmen zu schaffen. "Dass die Telekom nach dem neuen Entwurf nun lediglich verpflichtet werden kann und nicht verpflichtet werden soll, wird neue Rechtsfragen aufwerfen und die Unsicherheit bei Investoren vergrößern."

Insbesondere ist die Telekom nicht einmal mehr verpflichtet, den Wettbewerbern wesentliche Vorleistungen zeitgleich mit ihrer Einführung des Endkundenproduktes zur Verfügung zu stellen. "Damit ist ein zentraler Eckpfeiler eines schlüssigen Entgeltkonzeptes entfallen," führt Wagner weiter aus. Um Missbrauch zu verhindern, sieht das Gesetz harte Sanktionen bis hin zu einer Mehrerlösabschöpfung wie im Kartellrecht vor. Auch eine kurze Bearbeitungsfrist wurde für die Missbrauchsverfahren im Entwurf festgelegt. Vergeblich suche man jedoch das ursprünglich im Arbeitsentwurf noch vorhandene Antragsrecht für die Wettbewerber, um bei einem Marktmissbrauch ein Verfahren bei der Regulierungsbehörde in Gang setzen zu können. Wenn man bedenke, dass die Regulierungsbehörde in der Vergangenheit gegen verschiedene Missbräuche erst nach monatelangen Vorermittlungen oder gar nicht - wie bei DSL - im Rahmen eines Missbrauchverfahrens vorgegangen sei, werde schnell klar, dass ohne Antragsrecht Fristen und Sanktionen leer laufen könnten.

Nicht zuletzt versuche die Telekom weiter an der Preisschraube zu drehen und Eigenkapitalverzinsung - als ein zentrales Element bei der Kostenermittlung für Vorprodukte - in die Höhe zu treiben. Vor allem die Infrastrukturanbieter, die z.B. auf die Miete der Teilnehmeranschlussleitung (TAL) oder die Zusammenschaltung (Interconnection) angewiesen sind, würden in ihrer Wettbewerbsfähigkeit durch eine deutliche Erhöhung der Preise eingeschränkt.

"Die Veränderungen zeigen deutlich, dass es der Bundesregierung wohl nicht gelingt, die noch vom Fachministerium weitgehend richtigen Einschätzungen des Marktes im neuen Gesetz zu verankern. Vor den Folgen einer einseitig auf den Marktführer ausgerichteten Industriepolitik können wir nur warnen. Mit einer solchen Politik wird kein einziger Arbeitsplatz in Deutschland gesichert oder aufgebaut," meint Wagner. Wenn - wie vorgesehen - das Kabinett am 15. Oktober 2003 den neuen Entwurf beschließt, wird sich der Bundesrat voraussichtlich kurz vor Weihnachten mit dem Entwurf befassen. Nach der Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates können die parlamentarischen Beratungen somit frühestens im Februar 2004 beginnen.