Geschichte

Vom Knochen zum Designerstück

Die Entwicklungsgeschichte des Handys
Von dpa / Hayo Lücke

Spitznamen wie "Knochen" und "Brikett" sprechen für sich - die Vorläufer der heutigen Handys wie das Motorola International 3200 [Link entfernt] aus dem Jahr 1992 waren mit ihrem klobigen Gehäuse alles andere als handlich. Doch innerhalb der vergangenen zehn Jahre haben Mobiltelefone eine derart rasante Entwicklung durchgemacht, dass einen ältere Modelle mittlerweile nur noch schmunzeln lassen. Während mobiles Telefonieren inzwischen nahezu eine Selbstverständlichkeit ist, war der Mobilfunk in seinen Anfängen keineswegs der breiten Masse zugänglich.

"Zu Beginn des Mobilfunks war das mobile Telefonieren auf Grund der hohen Kosten ein Privileg für Gutsituierte und wichtige Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft", berichtet Wilma Rüter, Fachreferentin vom Museum für Kommunikation in Berlin. Seinen Anfang nahm der deutsche Mobilfunk bereits 1918, als auf der Strecke Berlin-Zossen drahtloses Fernsprechen von fahrenden Eisenbahnzügen erprobt wurde. Das erste nationale Mobilfunknetz, das "A-Netz", entstand 1958 und war 1968 das größte flächendeckende öffentliche Mobilfunknetz der Welt mit rund 11 000 Teilnehmern.

"Damals wurde man noch von der Vermittlungsdame verbunden und konnte nicht selber wählen", sagt Andreas Elmenthaler, Handysammler aus Dresden. Die Apparate wurden als Autotelefon benutzt und kosteten zwischen 8 000 und 15 000 Mark - sein ältestes Sammlerstück aus dem Jahre 1970 wiegt zwölf Kilogramm. "Es gab auch noch keine automatische Übergabe von einer Funkzelle zur nächsten - wenn man aus dem Bereich einer Sendestation herausfuhr, brach das Gespräch ab."

1972 konnten Kunden im "B-Netz" Gespräche immerhin schon ohne Vermittlung führen. "Allerdings musste der Anrufer wissen, wo sich der Gesprächspartner zum Zeitpunkt des Anrufes befand, um die entsprechende Vorwahlnummer herauszufinden", erklärt Fachreferentin Rüter. Die Geräte seien immer noch teuer, groß und schwer gewesen.

Erst mit dem 1985 gestarteten C-Netz kamen die ersten tragbaren Mobilfunktelefone auf den Markt, erinnert sich Karl Kammerlander aus München, der als Erfinder des "C-Netzes" gilt und seit 1965 bei der Firma Siemens im Mobilfunkbereich tätig ist. Mit dem neuen Netz wurden die automatische Weiterleitung von Funkzelle zu Funkzelle, das so genannte Handover, und eine einheitliche Vorwahl eingeführt. Die Telefonnummer war jetzt nicht mehr mit dem Telefon, sondern mit der zugehörigen Telekarte verbunden. Zudem war es erstmals möglich, mit dem Mobiltelefon Faxe zu verschicken. "Im C-Netz gab es bereits Geräte, die man mit etwas Mühe in die Tasche stecken konnte - vom Aussehen her ähnelten sie aber mehr Funkgeräten und wogen etwa 500 Gramm", sagt Sammler Elmenthaler.

Die völlige Digitalisierung erfolgte 1992 mit den beiden "D-Netzen" der Telekom und der Mannesmann Mobilfunk GmbH (heute Vodafone). Durch den GSM-Standard (Global System for Mobile Communication) wurde das internationale "Roaming" möglich, bei dem der Nutzer von einem GSM-Netz in ein anderes wechselt. Die E-Plus Mobilfunk GmbH startete 1994 das E1-Netz, 1997 folgte VIAG Interkom mit dem E2-Netz. Durch den Konkurrenzkampf fielen die Preise - der Handyboom in Deutschland war nicht mehr aufzuhalten. Die Telefone wurden zudem immer kleiner und leichter, da die benötigte Sendeleistung geringer wurde.

Kunden nutzen ihr Handy längst als Organizer und verschicken seit 1994 Nachrichten mit einer Länge von 160 Zeichen - die SMS. "Damals hätte niemand erwartet, dass SMS in Deutschland ein solcher Erfolg werden würde", sagt Britta Oertel vom Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung in Berlin. Via WAP (Wireless Application Protocol), vom 1997 gegründeten WAP-Forum vorgestellt, konnten Anwender zudem Newsticker und Fußballergebnisse abfragen. Der langsame Verbindungsaufbau und die hohen Kosten hätten die Nutzer aber enttäuscht, so Oertel.

Inzwischen haben sich Mobiltelefone zu Multimedia-Geräten mit oft schickem Design gemausert: Mobile Bildschirmtelefone gab es schon Mitte der neunziger Jahre, heute dient das Handy als Kamera, und i-mode macht seit einem Jahr den mobilen Empfang bewegter Bilder möglich. Voraussetzung dafür sind höhere Bandbreiten durch den GPRS-Standard (General Packet Radio Service) und Verbindungs-Turbos wie HSCSD (High Speed Circuit Switched Data). Mit Spannung erwartet wird nach wie vor UMTS (Universal Mobile Telecommunications System), mit dem der Kunde sehr schnell im Internet surfen und andere Multimedia-Angebote empfangen können soll.

"UMTS wird langfristig zum Standard werden - die Firmen haben schon zu viel Geld investiert, um diese Technik wieder fallen zu lassen", sagt Oertel. In Zukunft dürften sich aber verschiedene Techniken ergänzen - neben UMTS könnten auch die kabellose Übertragungstechnologie Wireless LAN und der digitale Rundfunkstandard DVB-T eine Rolle spielen.