intransparent

Editorial: Und sie können weiter abzocken

Geplante 0900-Gesetzgebung nicht ausreichend
Von

Erfreulich ist, dass der Gesetzgeber das Problem mit teuren Servicenummern im allgemeinen und Dialern im besonderen erkannt hat, und Gegenmaßnahmen einleiten will. Unerfreulich ist, dass dabei ein fauler Kompromiss herauskommt, der niemanden wirklich vor Missbrauch schützt, aber manchem seriösen Anbieter sogar schadet.

Einer der bekanntesten Dialer-Fälle betrifft eine Kundin der Telefonfirma BerliKomm, deren Sohn wochenlang über 01908 gesurft hatte, nachdem er einen "High Speed Connector" installiert hatte. Der Schaden: Über 9 000 Euro. Dabei hatte die angewählte Rufnummer "nur" 1,86 Euro pro Minute gekostet. Nach dem neuen Gesetz wären sogar 3 Euro pro Minute noch zulässig, bei gleicher Onlinezeit betrüge der Schaden dann sogar fast 15 000 Euro.

Die Zwangstrennung nach spätestens 60 Minuten hilft auch nicht weiter. Denn bereits viele heutige Dialer sind in der Lage, nach einer Leitungstrennung sofort erneut zu wählen. Bei einer ISDN-Verbindung ist die kurze Trennung beim Surfen auch kaum spürbar.

Statt gesetzlich ein Oberlimit für die Kosten einer Mehrwertverbindung (hier 3 Euro mal 60 Minuten = 180 Euro) festzulegen, wäre es viel wirkungsvoller, ein Limit für alle Mehrwertverbindungen vorzugeben, die von einem Anschluss aus während eines Abrechnungszeitraums getätigt werden. Wird das Limit überschritten, wird die bestehende Verbindung getrennt, und während des laufenden Monats sind dann nur noch "normale" Telefongespräche möglich. Selbstverständlich kann der Kunde per Brief oder Telefax ein höheres Limit beantragen, wenn er es braucht. Als Mehrwertverbindung zählt dabei alles, was einen Minutenpreis von 30 Cent oder mehr kostet, also zum Beispiel auch Gespräche zu Auskunftsdiensten oder "teure" Auslandsverbindungen.

Das Problem: Die Regelung mit dem Maximalentgelt wäre nur umzusetzen, indem umfangreiche technische Erweiterungen in den Netzen eingeführt werden. Denn der Diensteanbieter müsste noch während der Verbindung die anfallenden Entgelte signalisieren, und der Netzbetreiber müsste laufend das Limit überprüfen. Andererseits: Wäre es nicht gerechtfertigt, für besonders teure Verbindungen auch einen besonderen technischen Aufwand zu betreiben?

So besteht hingegen die Gefahr, dass das neue Gesetz weitgehend wirkungslos gegen Missbrauch ist, während es gleichzeitig sinnvolle Anwendungen von Mehrwertrufnummern blockiert. Als Beispiel seien Ortsgespräche über 0190-0xy genannt. Hier muss der Verbraucher sicherlich nicht vor den Kosten von zumeist 1,6 bis 3 Cent pro Minute geschützt werden. Trotzdem dürfte auch bei den Call-by-Call-Verbindungen die Vorschrift über die Zwangstrennung nach einer Stunde greifen - zu Lasten von Dauertelefonierern.

Das neue Gesetz macht auch Blockentgelte unmöglich. Zwar können diese im Zusammenhang mit Dialern sehr hässlich sein, aber das heißt nicht, das Blockentgelte an sich immer schlecht sind. Als eine sinnvolle Möglichkeit der Nutzung von Einmalentgelten sei der Vertrieb von Software genannt: Man lädt eine Testversion aus dem Netz, installiert diese auf seinem Computer und probiert sie aus. Um die Software freizuschalten, ruft man kurz bei einer Service-Rufnummer an, und bekommt den Freischaltcode, mit dem man die Vollversion aktiviert. Fertig.

Wichtig ist bei Blockentgelten allerdings, dass die Zustimmung des Nutzers zweifelsfrei vorliegt. So könnte die Shareware vor der Aktivierung einen Zifferncode ausgeben, den man nach Anrufen der Service-Nummer zunächst eingeben muss. Erst dann, wenn die Eingabe als valider Code erkannt wurde, darf das Aktivierungsentgelt berechnet werden. Ruft der Anwender kurz hintereinander zweimal an, und verlangt die Aktivierung derselben Software, darf die Lizenzgebühr trotzdem nur einmal berechnet werden. Denn es kann ja vorkommen, dass der Benutzer den angesagten Aktivierungscode falsch versteht, und diesen ein zweites Mal abfragt.