neue Standardlösung

Telefonie über Internet kommt verzögert, aber auf jeden Fall

Neue Studie über den VoIP-Markt
Von Marie-Anne Winter

Nach den hoffnungsvollen Prognosen, nach denen die Welt dank der Telefonie über das Internet (Voice over Internet Protocol, kurz VoIP), bald ein globales Dorf sei, in dem man, wenn schon nicht kostenlos, so doch zumindest mit einem Ortstarif telefonieren könnte, der deutlich unter dem der Deutschen Telekom läge, hat sich auch in diesem Sektor Ernüchterung breit gemacht. Denn auch der europäische VoIP-Markt leidet derzeit noch unter der allgemeinen Konjunkturflaute und der Schwäche der globalen Telekomindustrie. Einige Branchenbeobachter mussten deshalb ihre allzu optimistischen Voraussagen auf ein explosionsartiges Wachstum zurücknehmen. Trotzdem wird sich die VoIP-Technologie langfristig durchsetzen: Allein im Europamarkt für VoIP-Gateways ist mit Umsatzzuwächsen von derzeit 259,6 Millionen US-Dollar auf 2,89 Milliarden US-Dollar im Jahr 2006 zu rechnen. Zu diesem Ergebnis kommt die Unternehmensberatung Frost & Sullivan in einer neuen Analyse.

Gehemmt wird das Marktwachstum momentan durch gesetzliche Unsicherheiten auf gesamteuropäischer Basis, die die Netzbetreiber teilweise zur Reduzierung oder sogar zur Rücknahme ihrer IP-Ausbaupläne veranlasst haben. Allerdings wird derzeit an einem neuen gesetzlichen Rahmen gearbeitet, der Klarheit schaffen soll. Die große Frage ist, ob es sich bei IP-Telefonie um eine "echte" Telefonverbindung im Sinne der EU Direktive 90/388/EEC handelt. Sollten die in der Direktive festgelegten Kriterien erfüllt sein, so müssten sich auch die Anbieter von IP-Telefonverbindungen den strengen Regularien für Telefonnetzbetreiber beugen.

Abgesehen von diesen Schwierigkeiten leidet die Branche darunter, dass sich die VoIP-Technologie noch nicht ausreichend unter Beweis gestellt hat. Nachdem die großen europäischen Telekom-Unternehmen bereits riesige Summen in den Aufbau der Zeitmultiplex-Infrastruktur (Time Division Multiplexing, TDM) gesteckt haben, scheint es derzeit noch zu riskant, diese Investition zugunsten einer neuen Technologie aufs Spiel zu setzen. Auch Voraussetzungen wie die vollständige Etablierungen der Breitband- und UMTS-Anwendungen sind noch nicht erfüllt.

Zusätzlich lassen konkrete technische Probleme mit IP-basierten Sprachdiensten in Bezug auf Qualität, Zuverlässigkeit und Interoperabilität vermuten, dass VoIP das altbewährte weltweite Telefonnetz nicht ganz so schnell in den Hintergrund drängen wird wie ursprünglich gedacht wurde. Damit wird sich auch der Einzug der Technologie in den Unternehmen verzögern.

Das Internet-Telefonie-Volumen ist noch sehr gering - allerdings nur, was die absoluten Zahlen betrifft, denn die Wachstumsraten sind sehr hoch. "Den Telekom-Unternehmen ist klar, dass die Zukunft in der Konvergenz von Sprach- und Datennetzen liegt und dass deshalb kein Weg an VoIP vorbei führt," so Niamh Spillane, Research Analyst bei Frost & Sullivan. "Entsprechend ist die Anzahl der verkauften Gateways bereits explosionsartig gestiegen." Was Anbieter von Telefondiensten betrifft, sind die so genannten CLECs (Competitive Local Exchange Carriers), also die neuen lokalen Carrier zur Erkenntnis gelangt, dass die reine Bereitstellung traditioneller Telefondienste nicht mehr ausreicht. Gefragt ist Diversifikation zugunsten anderer Bereiche wie beispielsweise Datentransfer. Die Ex-Monopolisten sind gezwungen, auf diese Herausforderung zu reagieren und ihrerseits Daten- und VoIP-Dienste anzubieten: Obwohl der VoIP-Markt noch recht jung ist, zeichnet sich doch ab, dass sich die Internet-Telefonie letztendlich als Standardlösung zum Sprachtransfer durchsetzen wird.

Der Europamarkt für VoIP-Gateways gliedert sich in die beiden Segmente Carrier-Gateways für Telefonnetzbetreiber und Enterprise-Gateways für den Einsatz in Unternehmen. Innerhalb des Carrier-Segments rechnet Frost & Sullivan im Jahr 2002 mit einem 100-prozentigen Zuwachs. 2006 sollen die Umsätze in diesem Sektor bereits bei 2,5 Milliarden US-Dollar liegen und damit 85 Prozent des Gesamtmarkts ausmachen.