Wir-Gefühl

Unbegrenztes Wachstum ließ viele Dotcoms scheitern

Die Dotcoms haben zu lange auf den Familiengeist gesetzt
Von dpa /

Viele Startup-Unternehmen sind nach Ansicht des Münchner Organisationssoziologen Stefan Kühl vor allem an ihrem ungebremsten Wachstum gescheitert.

"Deshalb galten sie nur eine Zeit lang als Modell für Firmen der Old Economy", sagte der Dozent für Inndustrie-, Arbeits- und Organisationssoziologe der Universität München in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa). In der Anfangsphase habe das starke "Wir-Gefühl" als eingeschworene Gruppe die Internetfirmen zusammengehalten. "Die Dotcoms haben jedoch zu lange auf den Familiengeist gesetzt."

"Bei Startups mit bis zu zehn Beschäftigten waren alle Mitarbeiter über alles informiert. Sie waren an allen Entscheidungsprozessen beteiligt", sagte Kühl. "Die Internetfirma funktionierte quasi wie eine Wohngemeinschaft." Mit wachsender Mitarbeiterzahl hätten die Firmen hierarchische Strukturen der Old Economy übernehmen müssen. "Spätestens der Übergang von Gruppenstrukturen zu Organisationen führte zum Ende des Mythos der Internetfirma."

"Nur solange die Firmen wie eine Gruppe funktionierten, konnten sie sich als dynamisch und flexibel präsentieren." Die darauf basierende schillernde Außendarstellung der Geschäftsideen der Dotcoms habe dafür gesorgt, dass viel Kapital in die Unternehmen geflossen sei. Die Internetunternehmen hätten sich vorrangig am Kapitalmarkt ausgerichtet, sagte Kühl. "Der Verkauf von Produkten war zweitrangig." Diese kapitalmarktorientierte Strategie, sei "sehr wohl rational gewesen". "Die Unternehmen mussten nicht Gewinn machen. Sie mussten nur den Geldnachfluss organisieren", meinte Kühl.

Die neue Ausrichtung an Kriterien der Rentabilität und des Gewinns in den Internetfirmen hält Kühl für den neuen "Megamythos der New Economy". Den meisten Firmen werde es nicht gelingen schnell von einer auf den Kapitalmarkt ausgerichteten Logik auf das profitable Verkaufen von Produkten und Dienstleistungen umzustellen. Die Firmen müssten sich jedoch zum Ziel der Rentabilität bekennen, um überhaupt noch Geld von Investoren zu erhalten.