Handystrahlung

Gesundheitsgefährdung durch Mobilfunk - Experten streiten

"Salzburger Resolution": Vier Empfehlungen für die Einrichtung von Mobilfunkanlagen
Von dpa / Marie-Anne Winter

Schlafstörungen, Konzentrationsschwächen und Nervosität - seit der flächendeckenden Mobilfunkversorgung beobachten Umweltexperten diese Phänomene vor allem in der Nähe von zentralen Sendemasten. Mobilfunkbetreiber sehen dagegen keinen akuten Handlungsbedarf. Die Strahlung der Stationen unterschreite die vorgegebenen Grenzwerte um ein Vielfaches, betonen sie immer wieder.

"Entscheidend für die biologische Einwirkung ist die Nähe zu den Basisstationen", sagt der Hamburger Baubiologe und Umweltanalytiker Wolfgang Kessel der dpa. Dabei handelt es sich um Funkmasten, die rund um die Uhr Strahlen aussenden. Je länger ein Mensch diesen elektromagnetischen Feldern ausgesetzt sei, desto schwerer seien die Störungen des menschlichen Organismus.

Kessler führt die Folgen auf die "Pulsierung" von Mobilfunk- Strahlung zurück. Basisstationen nutzen diese regelmäßigen Impulse zur Bereitstellung der Kommunikationsnetze. Die Gleichmäßigkeit der Strahlung beeinflusse die "biologische Uhr" im Gegensatz zu natürlichen elektromagnetischen Feldern. Besonders bei elektrosensiblen Menschen verändere die Pulsierung biologische Prozesse.

"Mir fällt auf, dass der Handygebrauch bei Jugendlichen besonders steigt und immer mehr Sendemasten auf Häusern und Kirchen stehen", sagt die Sprecherin der Bürgerinitiative Schwerin e.V., Hilke Leinweber. Sie sehe Risiken, die von offizieller Seite nicht aufgegriffen würden. "Man kann aber keinem sein Konsumverhalten diktieren. Wir wollen durch Information Einsicht und freiwilliger Selbstkontrolle fördern."

Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) sieht die Strahlung der rund 30 000 Mobilfunkstationen weniger kritisch. Die Behörde beobachte zwar die Phänomene, jedoch hätten Studien negative Folgen von Sendeanlagen wissenschaftlich bisher nicht nachgewiesen, erklärte Olaf Schulz vom zuständigen Bundesamt in München. Nach Ansicht des BfS schließen die bestehenden Grenzwerte der Weltgesundheitsorganisation (WHO) nachgewiesene Schädigungen aus. Auch eine mögliche Verdopplung der Sender durch den Aufbau der neuen UMTS-Netze gebe keinen Grund, zusätzliche Maßnahmen zur Gefahrenabwehr zu fordern. Dennoch müsste über Vorsorgemaßnahmen zur Verringerung möglicher Risiken nachgedacht werden.

Die Mobilfunkbetreiber zeigen sich beim Aufbau der Netze der UMTS- Generation kooperativer als in der Vergangenheit. Mit der Gründung des Informationszentrums Mobilfunk (IZM) haben sie einen ersten Schritt zu stärkerer Aufklärung gemacht. "Wir geben Information und beziehen Position", sagte IZM-Geschäftsführer Immo von Fallois. Die Telekommunikationsunternehmen unterschritten bereits heute die vorgegebenen WHO-Grenzwerte um ein 1 00faches. Die Betreiber nähmen die Sorgen der Bevölkerung ernst, würden aber nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft keinen Handlungsbedarf sehen, erklärte von Fallois weiter. Umweltanalytiker Kessel will betroffene Bürger, Politiker und Telekommunikationsunternehmen an einen Tisch bringen. Als Gesprächsgrundlage könne die "Salzburger Resolution", ein Empfehlungskatalog internationaler Wissenschaftler für die Einrichtung und den Betrieb von Mobilfunkstationen, dienen.

Strahlungsexperten haben im Juni bei einer internationalen Konferenz in Salzburg (Österreich) vier Empfehlungen zur Einrichtung von Mobilfunksendern verabschiedet:

  • Die Situierung und der Betrieb von Mobilfunksendeanlagen soll an ein Bewilligungsverfahren geknüpft werden. Dabei soll die lokale Bevölkerung informiert und einbezogen, Standortalternativen überprüft und bereits vorhandene Strahlungsquellen berücksichtigt werden.
  • Auf staatlicher Ebene soll eine Datenbank mit detaillierten Angaben über alle Basisstationen und deren Ausstrahlung erstellt werden.
  • Für bestehende und künftige Mobilfunksendeanlagen sollen alle technischen Möglichkeiten genutzt werden, um eine möglichst niedrige Aussetzung von Anrainern zu gewährleisten. Insbesondere in Bereichen, in denen sich Menschen längere Zeit aufhalten, soll die Gesundheit der betroffenen Bevölkerung geschützt werden.
  • Eine Beurteilung biologischer Wirkungen von Mobilfunksendeanlagen ist zum vorbeugenden Schutz der öffentlichen Gesundheit dringend erforderlich.
Die Resolution empfiehlt eine maximale Strahlenbelastung, die weit unter dem derzeitig gültigen Grenzwert der Weltgesundheitsorganisation liegt. Sie sieht unter anderem die Einbeziehung der betroffenen Bevölkerung beim Aufbau von Sendern sowie die kontinuierliche Strahlenmessung in der Nähe von Basisstationen vor. Insbesondere Daueraufenthaltsplätze wie Krankenhäuser, Kindergärten sowie Wohn- und Arbeitsbereiche von Menschen müssten geschützt werden.

Jeder Einzelne könne sich aber durch einen kontrollierten Umgang mit dem Handy selber abschirmen: "Man sollte nur dann telefonieren, wenn es unbedingt erforderlich ist", erklärt Kessler. Dadurch entlaste man seinen Körper und die Mobilfunknetze.