Nekropsie

AllAdvantage.com - Die Überreste kommen unter den Hammer

DotCom-Pleiten erfreuen die Schnäppchenjäger
Von AFP / Frank Rebenstock

Tesafilm und Hochleistungsrechner, Tischfußballspiele und Computerbildschirme: Wenn eine der kurzlebigen Firmen der Internet-Branche pleite geht, bleibt virtuell zwar nichts davon übrig, wohl aber materiell. Und da im kalifornischen Silicon Valley, der Heimat unzähliger Internetfirmen, mittlerweile eine pro Tag Konkurs anmelden muss, häufen sich dort die Überreste und fallen den Profiteuren der Pleitewelle wie reife Früchte in den Schoß: den Auktionshäusern. Eines davon ist DoveBid in Foster City, das schon seit 1937 die Überbleibsel gescheiterter Unternehmen versteigert. "Die Zeiten sind nicht schlecht für uns", grinst Ross Dove, Geschäftsführer von DoveBid.

Dove hat leichtes Spiel, wenn sich zum Beispiel in den Räumen der Firma AllAdvantage.com in Hayward rund 150 Bieter zur Versteigerung der restlichen Habe einfinden. Die Firma war 1999 von dem südkoreanischen Geldgeber Softbank Ventures gegründet worden und sollte Internetsurfer dafür bezahlen, dass sie die Hompepages anderer Firmen besuchen - eine Geschäftsidee mit offenbar wenig durchschlagendem Erfolg. Immerhin brachte AllAdvantage.com es auf eine Lebenszeit von einem Jahr, bevor die Risikokapitalgeber ab Juni 2000 kein Geld mehr zuschießen wollten. Das Geschäft ging den Bach runter und meldete kurz vor Weihnachten endgültigen Konkurs an.

Nun laufen die Mitarbeiter von DoveBid in den verlassenen 74 000 Quadratmetern herum und registrieren Stapel von Laptops, Tische mit Laserdruckern und kilometerlange Trennwände. "Da sind gute Sachen dabei", sagt Interessent Nicholas Claric, der zwischen Bergen von Computern Material für seine Solartelefonfirma sucht. Als er einen Bildschirm mit Aufklebern findet, der noch an den vorherigen Besitzer erinnert, seufzt Claric hörbar. "Das deprimiert mich", sagt er und kratzt an den Stickern herum. Aber da sein Unternehmen anscheinend noch Oberwasser hat, lässt er seine Depression schnell hinter sich und kommt zu dem Schluss: "Naja, irgendwer wird es schon kaufen. Das Leben geht weiter."

Das gilt auch für den russischen Einwanderer Albert Goluchow, der eine Internet-Beratungsfirma betreibt. Er hat seit September schon acht Auktionen besucht, um seine Internetdienste mit Hilfe von Platinen gescheiterter Firmen auf Vordermann zu bringen. "Das meiste waren doch gar keine Geschäfte", weiß Goluchow zu berichten. "Da kommen junge Schnösel von Cisco oder Intel und nennen sich Geschäftsführer, dabei wissen die gar nicht, wie man sowas macht." Er selbst hat keine Probleme, kann er doch einen Hauptkostenfaktor der Branche - die hohen Löhne - umgehen, weil seine Programmierer in Russland sitzen. "An sowas denken diese Dotcom-Leute gar nicht."

Nach einer Statistik von WebMergers.com, die das Internetgeschäft beobachten, haben von Januar 2000 bis Januar dieses Jahres 270 Internetfirmen dicht gemacht, davon 70 Prozent in den zurückliegenden vier Monaten. Allein im Januar 2001 waren es 49 Konkurse. Auktionator Ross Dove glaubt, das ist nur der Anfang. "Wir haben noch nicht einmal zehn Prozent der Pleiten erlebt, die es im Endeffekt geben wird", orakelt er, macht die Zigarette aus und nimmt den Hammer. "Am Ende der Pleitewelle wird ein Vermögen von mindestens drei Milliarden Dollar unter den Hammer gekommen sein."

Während bei AllAdvantage.com die Versteigerung beginnt und die Hardware Schlag um Schlag unter Ross Doves eigenen Hammer kommt, lehnt ein einsamer, gebrochener Mann an einer Trennwand - Firmengründer Carl Anderson. "Ich kann noch nicht darüber sprechen", mehr bringt er nicht heraus. Am Ausgang, zwischen übrig gebliebenen Tischen und Stühlen, erzählt dagegen eine Tafel die Firmengeschichte: "Wie können wir Geld machen..." hat jemand darauf geschrieben, wahrscheinlich schon im fortgeschrittenen Stadium des Niedergangs. Die Antworten haben wohl nicht gereicht: Sie sind verschmiert und nicht mehr zu entziffern.