Copyright-Fight

Freier Zugang zu Information in Gefahr?

EU-Urheberrechts-Richtlinie: Immer neue Ausnahmenregelungen für die Ausnahmeregelungen
Von Marie-Anne Winter

Nach drei Jahren harten Ringens steht die EU-Richtlinie zum Urheberschutz [Link entfernt] endlich vor der entscheidenden zweiten Lesung im Europaparlament. Jetzt erhöht vor allem die Musik- und die Filmindustrie den Druck auf die Parlamentarier, noch "Amendments" einzubringen, Zusätze, die bisherige Sonderregelungen, beispielsweise die Möglichkeit für die Verbraucher, digitale Medien für den privaten Gebrauch zu kopieren, wieder beschneidet. Sogar die Ausnahmeregelungen für Zwischenkopien bei Internetprovidern sollen wieder zurückgenommen werden.

Im bisherigen "Gemeinsamen Standpunkt" des EU-Rats, dem bisher unter den Mitgliedstaaten der Europäischen Union ausgehandelten Kompromiss, gibt es inzwischen 20 Ausnahmeregelungen von der generell garantierten alleinigen Verfügungsgewalt eines Rechteinhabers über sein Werk. Den Mitgliedsländern bleiben damit einige Gestaltungsfreiräume bei der Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht, sie können beispielsweise digitale Kopien für private, wissenschaftliche oder künstlerische Zwecke zulassen. Allerdings muss den Rechteinhabern ein "gerechter Ausgleich" gewährt werden.

In Deutschland ist dieses Prinzip der Urheberentschädigung längst durch eine "Kopiervergütung" umgesetzt, die an die Verwertungsgesellschaften VG Wort und VG Bildkunst abgeführt werden. Die Pläne zu einer Urheberabgabe auf Computer, die Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin Ende letzten Jahres vorgestellt hat, sind auf heftige Kritik der Hersteller und des Bundesverbandes Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom) gestoßen. Auch die französische Kulturministerin Tasca scheiterte mit einem ähnlichen Vorschlag am Widerstand ihrer Mitminister und der Wirtschaft.

Besonders problematisch ist Artikel 6 der Richtlinie, der den Produzenten von Inhalten erlaubt, die Kontrolle über ihre Produkte erheblich auszubauen. Datenbankanbieter oder elektronische Magazine im Netz könnten die Nutzungsrechte ihrer Inhalte so gestalten, dass die vorgesehenen Ausnahmeregelungen für den Kopierschutz wieder ausgehebelt werden. Selbst wenn Bibliotheken Lizenzrechte kaufen, könnten die von den Lizenzgebern getroffenen technischen Schutzvorkehrungen sie an der Nutzung dieser Rechte hindern - und das völlig legal.

Würde die Richtlinie mit den jetzt vorliegenden Ergänzungen verabschiedet, wären die europäischen Bestimmungen zum Urheberschutz strenger, als die World Intellectual Property Organization WIPO es vorsieht. Bereits 1996 arbeitete die WIPO Vorgaben aus, die die Autorenrechte in den digitalen Medien stärken sollten. Mit der EU-Richtlinie sollen eigentlich genau diese Vorgaben innerhalb der EU geregelt werden, inzwischen gehen die Regelungen aber weit über die WIPO-Verträge hinaus.

Es bleibt die Frage, wie man die Kontrolle über Information im digitalen Bereich überhaupt wirkungsvoll ausüben kann, denn die bisher relativ einfache Unterscheidung zwischen Informationslieferanten und Informationsnutzern ist kaum mehr möglich. Die Verbreitung von Information über weltweite Datennetze ist für jeden möglich, der Zugang zum Netz hat. Prominentes Beispiel dafür ist der Streit um die kostenlose Internet-Musiktauschbörse Napster. Sicher ist zumindest eins: Wenn das Urheberrecht durch die EU-Richtlinie entscheidend gestärkt wird, freuen sich nicht nur die Rechteinhaber, sondern auch die Hersteller von Verschlüsselungstechnologien und Kopierschutzverfahren, wie Widevine Technologies, die gerade mit Widevine Cypher eine neue Technologie für die Verschlüsselung von Musik- und Videostreams auf den Markt gebracht haben. Bleibt zu hoffen, dass die Proteste der finanziell weniger gut ausgestatteten Verbraucherschützer in Brüssel nicht ungehört bleiben.