anders

Microsoft Azure: Online statt offline

Cloud Computing ist grundlegend neues Geschäftsmodell für Microsoft
Von Ralf Trautmann

Vor geraumer Zeit hatte Microsoft angekündigt, in das Geschäft mit dem so genannten Cloud Computing einzusteigen, und zwar mit einen System namens Azure. Jetzt hat der Konzern die Nutzungs-Entgelte bekannt gegeben und unterbietet dabei Konkurrenzangebote. Rechenleistung lässt sich der Konzern mit 12 US-Cent pro Stunde bezahlen, für Speicherplatz fallen pro GB 15 US-Cent an, zudem gibt es Entgelte für weitere Leistungen. Im November soll Azure bereitstehen.

Da es sich um ein Angebot handelt, das sich an Entwickler und in der Folge an Business-Kunden richtet, sind diese "harten" Fakten natürlich für den "normalen" PC-Nutzer mäßig interessant und das Thema geriet in der allgemeinen Berichterstattung etwas im Hintergrund, zumal sich alle Welt hauptsächlich für Windows 7 interessiert. Das wird der Situation aber nicht ganz gerecht, denn mit Azure vollzieht Microsoft einen für den Konzern höchst ungewöhnlichen Schritt, der mittelfristig auch den Alltag des Privat-Anwenders betreffen wird.

Cloud Computing gilt als Trend in der IT-Branche und beschreibt eine Verlagerung von IT-Struktur ins Netz: Beim Cloud Computing werden Services, also auch klassische Anwendungs-Programme, über Server des jeweiligen Unternehmens via Internet bereitgestellt, auch Daten werden im Netz gelagert. Microsoft will hierfür einen großen Server-Park bauen. Eine Installation der Programme auf dem eigenen Rechner wird somit überflüssig, die Nutzung erfolgt entsprechend über einen Browser. Vorteil eines Cloud-Computing-Modells ist unter anderem die Abrechnung nach genutzter Leistung, zudem werden Investitionen in Hardware minimiert, da diese ja weniger "rechnen" und hauptsächlich die Ergebnisse der Server empfangen und abbilden muss.

Microsoft Azure wird dabei eine Art Betriebssystem in der "Cloud" sein, auf Basis dessen Entwickler Applikationen mittels Visual Studio, .NET-Framework und später weiteren Werkzeugen erstellen können. Des Weiteren werden bestimmte Anwendungen direkt von Microsoft über Azure bereitgestellt.

Für andere nichts besonderes mehr, für Microsoft neu

Etablierte Cloud-Computing-Anbieter am Markt sind zum Beispiel Google, Amazon oder IBM, die bereits seit geraumer Zeit auf derartige Lösungen setzen. Für Microsoft indes ist das Engagement im Cloud Computing neu und Ausdruck einer radikalen Neuorientierung. Das Unternehmen gilt zu Recht als Software-Gigant, allerdings vornehmlich im Offline-Segment: Kernbereiche sind immer noch das klassische Betriebssystem Windows und die Office-Produkte. Mit dem Internet Explorer wurde zwar nach langem Ringen die Vorherrschaft im Browser- und damit in einem Teilbereich des Online-Marktes erreicht, aber auch vornehmlich über das Quasi-Betriebssystem-Monopol, also die Integration des Browsers in Windows.

In anderen Internet-Bereichen sieht die Bilanz dagegen nach wie vor dürftig aus. Microsoft versucht die Trendwende aber jetzt an vielen Fronten: Nach dem mutmaßlichen Google-Suchmaschinen-Konkurrenten Bing wird das neue Office in der Version 2010 mit einem Novum aufwarten, das eine Art Cloud-Computing-Light bietet: Die neue Bürosoftware wird auch in einer Online-Variante verfügbar sein, die dann die etablierten Anwendungen wie Word, Excel und Power Point enthält. Damit tritt Microsoft zum einen in Konkurrenz zum (allerdings mäßig erfolgreichen) Google-Online-Angebot "Text & Tabellen", zum anderen aber ist dies ein Einstieg in die Welt der Online-Applikationen.

Microsoft bemüht sich offensichtlich, nicht schon wieder Schritte in der Internet-Welt zu verschlafen. Trotz angeblich steigender Nachfrage ist indes für viele Anwender der Wechsel auf eine vorrangig "Web-basierte Welt" des Cloud Coumputings trotz heutiger Allgegenwärtigkeit des Internets noch nicht denkbar, auch wenn solche Lösungen kosten- und ressourcensparend sind. Zum einen gibt es eine nicht unberechtigte Sorge, (sensible) Daten ins Netz auszulagern. Zum anderen erhöht eine fast reine Internet-Struktur natürlich auch die totale Abhängigkeit von extrenen Einflüssen: Falls das System mal streikt, geht nichts mehr. Zudem geht die Kontrolle über Anwendungen und Betriebssystem weitgehend verloren. Es geht also mehr um einer Frage nach dem Empfinden der Nutzer als nach den technischen Möglichkeiten, und hier vollziehen sich Veränderungen wohl ziemlich langsam.