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Endlich scheint Teltarif umzuschwenken....


16.06.2022 20:56 - Gestartet von wolfbln
8x geändert, zuletzt am 16.06.2022 21:49
Die Berichterstattung von Teltarif in den letzten Tagen zu den neuen Telekom- und Vodafone-Tarifen ist schon bemerkenswert. Bisher wurden die Anbieter mit ihren dünnen Argumenten verteidigt. Das scheint sich inzwischen deutlich geändert zu haben. Die Leser glaubten ihren Augen kaum. Manche kommentierten: "ihr könnt nur heulen/meckern", weil man so etwas bisher hier nicht gelesen hatte.

Die hohen Preise für mobiles Internet in Deutschland sind nicht neu, aber bisher war Teltarif brav auf Betreiberlinie und hat eigentlich immer deren Argumente verteidigt, ohne sie genauer zu untersuchen, ob nicht viele Argumente auch in anderen (und günstigeren) Ländern so oder ähnlich gelten.

Die Mär von den hohen Lizenzkosten. Ja, die sind in Deutschland am teuersten, weil der Markt mit 140 Mio. aktiven SIMs am größten ist. 4G-Auktionen waren pro Kopf/SIM in Österreich oder Polen teurer, 5G bisher etwa in Italien. Die Preise sind dort allerdings durchweg weit günstiger.

Dann soll eben "der Ausbau" bei uns so teuer sein. Mal gibt's zu viele Berge, mal ist es zu flach. Mal wohnen zu viele auf dem Land verstreut, mal nutzen wir zu viel Daten, mal wieder zu wenig, dass es sich lohnt. Mal sind es die Gegner, der Naturschutz, die Bürokratie, usw. Irgendwie gibt es das alles so oder ähnlich anderswo auch.

Es wurde in den letzten 10-15 Jahren krampfhaft ein Grund gesucht, den Deutschland so teurer macht, um die Preise zu rechtfertigen. Deutschland ist aber nicht das einzige Land, wo es so teuer ist in der EU. In der Tschechischen Republik und in Griechenland sind sie auch etwa so hoch. Was haben wir jetzt mit diesen Ländern gemein, was wiederum andere nicht haben? Griechenland (oder etwa die Schweiz andersrum) zerstört auch den Mythos vom hohen Lohnniveau oder Haushaltseinkommen, dass die Tarife gerade in Deutschland so teuer mache.

Wenn man die aktuellen Bilanzen der Cellcos durchliest, wird aber klar, dass die Gewinne in Deutschland am höchsten sind. Und zwar sowohl absolut (was OK ist wegen der Marktgröße s.o.), aber auch pro Nutzer. Vodafone finanziert durch seine deutschen Gewinne seine defizitären Netze in Spanien und Italien. Die Telekom hat mit den USA noch eine zweite Cashcow am Start und hat sich deren Tarife jetzt zum Vorbild gemacht. Darum sind die Preise stets ein Abbild der jeweiligen Wettbewerbssituation im Land.

An die Telekom wagt sich bei uns kaum jemand ran. Sie ist der Platzhirsch und gibt die Preise vor. Sie meint weiterhin offenbar so gut zu sein, dass sie jeden Preis nehmen kann. Vodafone glaubt fast so gut wie Telekom zu sein und imitiert die Telekom-Preise mit leichten Abschlägen, obwohl ihr Netz teilweise deutlich schwächer ist. O2 geht da etwas aggressiver ran, hat aber klare Defizite im Ausbau, wird von den beiden anderen bisher als Mitbewerber nicht so ganz ernst genommmen und muss sich dazu in den nächsten Jahren gegen 1&1 mit neuen Netz wehren.

Jetzt scheint die Geduld von Teltarif aber am Ende zu sein. Interessanterweise wird die Kritik an Premium-Tarifen (Datenflats) als mangelhafter Zero-Rating-Ersatz festgemacht. Dass auch die Tarife für die breite Masse im Hauptkunden-Segment beim mobilen Internet oder Auslandsgesprächen (nicht etwa Voice oder SMS in Deutschland) weiter im Vergleich viel zu teuer sind, fällt ihnen weniger auf. Ein Redakteur sprach sogar vor ein paar Tagen von "Wucher". So weit würde ich jetzt nicht gehen, außer etwa bei den Margen im Übersee-Roaming. Was ist denn da passiert?

Auch wenn ich diesen Schwenk bei Teltarif grundsätzlich begrüße und immer wieder dafür argumentiert habe, kaufe ich ihn ihnen das bisher noch nicht ganz ab, denn neu ist das Preisniveau nicht.

Blicken wir kurz zurück: Bis etwa vor gut 10 Jahren und dem Ende von E-Plus waren die Preise bei uns gar nicht so hoch. Teltarif wäre sonst gar nicht entstanden, wenn es nicht diesen harten Wettbewerb damals gegeben hätte. Wir hatten etwa als eines der ersten EU-Länder bezahlbare Sprachflats erst ins eigene, dann in alle Netze. Mit dem Aufkommen von mobilen Internet, zunächst über UMTS, später von LTE, der gleichzeitigen Verringerung auf 3 Netzbetreiber und effektiv 2 Serviceprovider und dabei zunehmend abhängiger MVNO wurde Deutschland so teuer, wie es heute ist.