Benutzer RK20 schrieb:
Und wo ist der Haken? Du hast pauschal nur Stammtisch geredet, aber nix gesagt.
Zum einen hatte ich vorhin nicht viel Zeit, zum zweiten ist es nun auch nicht sonderlich schwierig, sich über Netzneutralität zu informieren, und schließlich hatte ich früher schon einen Kommentar mit etwas mehr Erklärung zu diesem Artikel geschrieben.
Durch StreamOn habe ich Youtube, Netlfix, Spotify ohne Datenverbraucht dabei.
Praktisch habe ich kaum Verbrauch beim Datenvolumen und kann daher einen kleineren Tarif buchen.
Soweit alles richtig.
Spare ich 5-10 Euro im Monat und kann so viel Streamen wie ich will.
Und das ist eben Unsinn.
Ich habe also auf jeden Fall mehr Freiheit. Haken gibt es nur in der Theorie.
Und das ist einfach nur absurd.
Wenn Du verstehen willst, was passieren würde, wenn Netzneutralität wirksam durchgesetzt würde, dann musst Du überlegen, was die vollständigen Folgen wären, also wie der Markt insgesamt darauf reagieren würde. Es ist extrem unwahrscheinlich, dass es dann einfach sonst genau die gleichen Tarife gäbe, nur halt ohne StreamOn, und das ist aus zweierlei Perspektiven leicht zu sehen:
Einmal aus der Verbraucherperspektive: Wären Kunden tatsächlich bereit, den gleichen Preis für eine erheblich schlechtere Leistung zu bezahlen oder alternativ die gleiche Leistung erheblich mehr zu bezahlen? Also, ein Kunde, der jetzt, sagen wir, 50 EUR im Monat bezahlt, um mit seinem Handy Fernsehen und Youtube-Videos zu gucken, würde dieser Kunde dann tatsächlich weiter 50 EUR bezahlen, aber mit seinem Handy nur Whatsapp benutzen (oder was auch immer)? Oder würde er tatsächlich dann halt 200 EUR im Monat bezahlen, um weiter per Mobilfunk Videos zu gucken? Oder würde der Kunde nicht eher z.B. verstärkt WLAN nutzen, vielleicht zusätzlich einen Breitbandanschluss für zu Hause bestellen, und für Mobilfunk stattdessen einen Tarif für 10 EUR im Monat buchen?
Der gleiche Tarif ohne StreamOn würde sich höchstwahrscheinlich nur zu einem erheblich niedrigeren Preis in der gleichen Menge verkaufen lassen - oder alternativ müsste ein Tarif, um zu diesem Preis den gleichen Absatz zu finden, erheblich mehr Inklusivvolumen mitbringen. Denn der Kunde bewertet am Ende ja nicht den Preis für das Datenvolumen, sondern den Preis für seinen Nutzen. Der Kunde ist bereit, 50 EUR im Monat zu bezahlen, um Fernsehen und Youtube gucken zu können, aber nicht, um nur Whatsapp zu benutzen. Wenn der Tarif zu 50 EUR halt 60 GB Inklusivvolumen mitbringen würde statt StreamOn, könnte der Kunde darüber genauso gut seine Videos gucken, also wäre er vermutlich bereit, dafür ähnlich viel Geld zu bezahlen.
Und aus Perspektive des Anbieters: Den Anbieter kostet jedes übertragene GB gleich viel Geld, vollkommen egal, ob nun im Rahmen von StreamOn oder nicht. Und natürlich kann der Anbieter diese Leistung nicht zu einem geringeren Preis abgeben als er selbst dafür bezahlt (halt für Equipment, Baumassnahmen, Wartung, Störungsbehebung ...). Irgendwoher muss das Geld kommen, von dem der Anbieter bezahlt, was ihn selbst die Erbringung der Leistung kostet. Und sofern nicht irgendwer großzügig die Telekom mit Spenden unterstützt, gibt es offensichtlich nur eine Quelle, aus der das Geld kommen kann: Die Kunden. Finanziert wird das natürlich einfach dadurch, dass das Inklusiv-Volumen teurer ist. Man verkauft dem Kunden ein GB, das im Einkauf 20 Cent kostet, für einen Euro, und "schenkt" ihm dann weitere zwei GB in Form von StreamOn (wenn auch ohne vertraglich festgelegte Grenze, aber der Anbieter weiss ja, was er im Schnitt so an Traffic erwarten kann - und die Zahlen habe ich mir natürlich ausgedacht, die genauen Preise kenne ich nicht, aber ich hoffe, das Prinzip ist klar).
Es wäre natürlich genauso möglich, dem Kunden einfach 3 GB für einen Euro zu verkaufen, ohne ihn in der Nutzung dieses Volumens einzuschränken - das einzige, was nicht möglich ist, ist, dass der Anbieter selbst 20 Cent für das GB bezahlt, es für 30 Cent an den Kunden weiterverkauft, und dann noch zwei GB StreamOn kostenlos oben drauf packt - dann würde der Anbieter nämlich 30 Cent einnehmen und für die Erbringung der Leistung dann 60 Cent bezahlen, mit einem solchen Tarif also flächendeckend einen Verlust einfahren - und dann würde die Telekom nicht jedes Jahr schön Dividenden an die Aktionäre auszahlen, sondern Insolvenz anmelden.
Folglich sparst Du also natürlich überhaupt gar nichts. In den betreffenden Tarifen bezahlst Du selbstverständlich das gesamte von Dir genutzte Datenvolumen - einzig ist bei einem erheblichen Anteil dieses Volumens halt eingeschränkt, für welche Dienste Du es nutzen kannst. Und wenn Du StreamOn nicht nutzt, dann bezahlst Du das StreamOn-Volumen der anderen Kunden mit. Würde Netzneutralität wirksam durchgesetzt, würdes Du einen Tarif mit dem dreifachen Volumen (oder was auch immer) kaufen, der genau das gleiche kosten würde wie der Tarif, den Du jetzt hast. Oder halt einen Tarif mit einer festen Bandbreite, aber ohne Volumenbegrenzung. Oder was auch immer - das einzige, was sicher nicht passieren würde, ist, dass Du für das gleiche tatsächliche Datenvolumen(!) 5 bis 10 Euro mehr bezahlen würdest - weil Marktwirtschaft und so.
Und entsprechend ist es natürlich absurd, zu behaupten, Du hättest jetzt irgendwie mehr Freiheit, weil die Telekom Dir vorschreibt, für welche Dienste Du Dein effektives Datenvolumen nutzen darfst. Offensichtlich hättest Du die größere Freiheit, wenn Du selber bestimmen könntest, wie Du das Datenvolumen verbrauchst.
Und damit kommen wir dann zu dem Flurschaden: Die Hürde, um bei StreamOn mitspielen zu können, behindert den Wettbewerb bei den Online-Plattformen und treibt damit an ganz anderer Stelle die Preise hoch. Ich kann mir für unter hundert EUR im Monat einen Server mieten und dort, sagen wir, einen Podcast zu hosten. In einer Welt mir Netzneutralität bin ich an der Stelle gleichberechtigt zu, sagen wir, Spotify: Wer einen Podcast über Spotify anhören kann, kann zu den gleichen Kosten auch meinen Podcast von meinem Server herunterladen und anhören.
Doch in einer Welt mit Produkten wie StreamOn stehe ich nun vor einem erheblichen Aufwand, um gleichberechtigt zu Spotify sein zu können: Ich muss mit potentiell hunderten von Mobilfunkanbietern weltweit Verträge über Zero-Rating-Angebote abschließen und meine Plattform an die technischen wünsche all dieser Anbieter anpassen. Wahrscheinlich ein Aufwand im Bereich von Hunderttausenden bis Millionen von Euro.
Und wenn Du Dir jetzt sagst: "Was soll mich das kümmern, ich will keinen Podcast machen?": Weil Du es am Ende bezahlst. Denn was tatsächlich passiert, ist natürlich nicht, dass der neue Podcaster Hunderttausende Euro in die Hand nimmt, sondern dass der neue Podcaster die Dienste einer Plattform wie Spotify in Anspruch nimmt, die die ganzen Zero-Rating-Verträge bereits abgeschlossen hat. Und dadurch haben dann Spotify (und ähnliche Plattformen in verschiedenen Bereichen) eine Monopol- oder Oligopol-Stellung und können dadurch für alle Leistungen überhöhte Preise verlangen, die sie in einer echten Wettbewerbssituation nicht verlangen könnten. Wenn Videos oder Podcasts auf dem eigenen Server zu hosten praktisch unmöglich ist, weil das Publikum dafür horrende Preise für Datenvolumen bezahlen müsste, dann können die Plattformen, die es sich aufgrund ihrer Größe leisten können, beim Zero-Rating flächendeckend mitzuspielen, ihrerseits Profitmaximierung betreiben. Youtube schauen kostet 15 EUR im Monat - wie wär's? Spotify Podcast-Only 9 EUR im Monat vielleicht?