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Datenschutz in der Schweiz?


30.07.2015 23:52 - Gestartet von spaghettimonster
einmal geändert am 30.07.2015 23:56
Zur immer wieder ohne Belege kolportierten Behauptung eines hohen Datenschutzstandards in der Schweiz ist anzumerken, dass die Schweiz seit 2002(!) eine 6-monatige Vorratsdatenspeicherung hat. Nachzulesen in Art. 12 des Bundesgesetzes betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF): https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20002162/index.html . Das Interesse an der Vorratsdatenspeicherung in der Schweizer Öffentlichkeit und in den Medien ist gering.

Zur Zeit soll die Speicherfrist auf 12 Monate verdoppelt und ein Bundestrojaner eingeführt werden.

Schweizer Telekommunikationsdaten werden auch durchaus an Drittstaaten übermittelt, etwa aufgrund Art. 30 des Cybercrime-Abkommens, dem die Schweiz beigetreten ist. Zu solchen Drittstaaten gehören auch Azerbaijan, USA, Albanien, Armenien, Bosnien, Moldau oder die Türkei.

Die Schweizer sind calvinistisch geprägt. Sie interessieren sich für Datenschutz, vereinfacht gesagt, nur, soweit sie daraus wirtschaftlich Kapital schlagen können (Bankgeheimnis). Im Übrigen kaum.
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[1] Asobaba antwortet auf spaghettimonster
15.08.2015 08:51
Benutzer spaghettimonster schrieb:
Zur immer wieder ohne Belege kolportierten Behauptung eines hohen Datenschutzstandards in der Schweiz ist anzumerken, dass die Schweiz seit 2002(!) eine 6-monatige
Vorratsdatenspeicherung hat.

Das betrifft nur Fernmeldedienstanbieter, wie Telefongesellschaften oder Internet-Provider und nur die Randdaten, keine Inhalte (was bei Ende-zu-Ende-Verschlüsselung sowieso nutzlos wäre).

Ein Messenger fällt also nicht unter dieses Gesetz.

Wer lesen kann, ist im Vorteil.
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[1.1] spaghettimonster antwortet auf Asobaba
15.08.2015 16:03
Benutzer Asobaba schrieb:
Das betrifft nur Fernmeldedienstanbieter, wie Telefongesellschaften oder Internet-Provider

Messenger-Dienste dürften prinzipiell Fernmeldedienste sein. Nach Art. 3 des Fernmeldegesetzes/Schweiz fällt darunter jede "fernmeldetechnische Übertragung von Informationen für Dritte". Das ist dort genauso der Fall wie bei SMS oder E-Mails. Auf die Technik kommt es nicht an. Es ist rechtlich auch nicht so, dass nur der Access-Provider Telekommunikation erbringt und alles darüber Übertragene wären Inhalte (siehe VoIP).

und nur die Randdaten, keine Inhalte (was bei Ende-zu-Ende-Verschlüsselung sowieso nutzlos wäre).

Verbindungsdaten sagen oft mehr aus als Inhaltsdaten, zB bei Anrufen bei den Anonymen Alkoholikern, Gewerkschaften, Scheidungsrichtern, einer Spielsucht-Beratung oder einem Anwalt für Steuerstrafrecht. SMS-Nachrichten an bestimmte Nummern verraten Spenden an Kirchen oder politische Kandidaten. Durch eine Analyse der Verbindungsdaten lassen sich Studien zufolge Lebenspartner, Familien- und Freundeskreis, der Arbeitsplatz und sogar die Zufriedenheit damit, die Tagesstruktur und Hobbys herausfinden und zwar sogar zuverlässiger, als wenn die Person selbst befragt wird. Auch Arbeitslosigkeit lässt sich herausfinden. Aufgrund von Anrufen bei Fachärzten lassen sich Krankheiten herausfinden. Es lässt sich zu rund 90% vorhersagen, wann du dich wo aufhalten wirst. Nach einer Zeit sind die Profile so eindeutig, dass man die Person auch dann wiedererkennt, wenn sie Anschluss und Gerät wechselt.
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[1.1.1] x-user antwortet auf spaghettimonster
16.08.2015 12:56
Benutzer spaghettimonster schrieb:

Verbindungsdaten sagen oft mehr aus als Inhaltsdaten, (...)

Ein sehr interessanter Beitrag, kompakt und gut verständlich für jeden.
Das alles liest sich wie die Einleitung zu einem zeitkritischen Bestseller.