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und noch eine Fehlinformation


21.04.2008 09:43 - Gestartet von voltaire
Die gepriesene Internet-Meinungsbildung-Demokratie ist rührend, aber doch naiv. Wer die Nutzungsstatistiken sich anschaut sieht, dass der 'normale' Netznutzer im Schnitt 8 Seiten nutzt. Und die professionellen Medienangebote sind gegenüber den Liebhaber-Blog-Angeboten immer deutlich im Vorteil. Es ist daher unverzichtbar, einfach auch professionelle, gut und teuer recherchierte Angebote im Netz zu finden. Zur demokratischen Meinungsbildung tragen privat verlinkte Blogs etc. derzeit nur am Rande bei. Das sind Gruppenmedien, die am Mehrheitsinteresse (im Gegensatz zu Tageszeitungen, Rundfunk, TV, den wichtigen Nachrichtenseiten wie SPIEGEL online, faz.net etc.)z.T. bedauerlicherweise, z.T. vollkommen zurecht vorbeischreiben. Ich möchte auf gut und kostspielig recherchierten Journalismus nicht zugunsten noch so vieler, im Ansatz noch so sympathischer Blogs und web 2.0 Angebote verzichten.
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[1] RE: eine Fehlinformation von voltaire
Kai Petzke antwortet auf voltaire
21.04.2008 11:05
Benutzer voltaire schrieb:
Die gepriesene Internet-Meinungsbildung-Demokratie ist rührend, aber doch naiv. Wer die Nutzungsstatistiken sich anschaut sieht, dass der 'normale' Netznutzer im Schnitt 8 Seiten nutzt.

Ich vermute, Sie beziehen sich auf die Meldung http://www.pcwelt.de/start/dsl_voip/online/news/155702/internet_nutzer_haben_im_schnitt_nur_acht_lieblingsseiten/
Demnach haben User im Schnitt acht Lieblingsseiten, die sie regelmäßig besuchen. Gleichzeitig klicken die User pro Monat durchschnittlich 17 neue Seiten an. Das ist doch eine sehr starke Bestätigung meiner Aussage, dass die Internet-User Content aus sehr vielen verschiedenen Quellen nutzen.

Hinzu kommt: Wenn Youtube, Wikipedia, Studivz & Co. zu den Lieblingsseiten gehören, dann muss man diese gar nicht erst verlassen, um Zugang zu einer sehr breiten Masse an Autoren zu haben. Laut Alexa finden sich die drei genannten Sites unter den beliebtesten sieben Sites in Deutschland, so dass bei sehr vielen Internet-Usern zumindest eine dieser drei Sites zu den persönlichen acht Lieblingsseiten gehören wird.

Und die professionellen Medienangebote sind gegenüber den Liebhaber-Blog-Angeboten immer deutlich im Vorteil.

Siehe http://www.alexa.com/site/ds/top_sites?cc=DE&ts_mode=country&lang=none
Das erste professionelle Medienangebot, nämlich "Spiegel Online", schafft es nur auf Platz 13. Die schon erwähnten Youtube, Wikipedia und Studivz mit nutzergenerierten Inhalten liegen weit davor, und auch das E-Mail-Portal gmx.de (bei dem ich jetzt mal vermute, dass die Nutzer auf diesem vor allem E-Mail lesen und weniger den anderen Billig-Content, den gmx.de dort so reinstreut) schlägt Spiegel Online.

Es ist daher unverzichtbar, einfach auch professionelle, gut und teuer recherchierte Angebote im Netz zu finden.

Nicht jedes "teuer recherchierte" Angebot ist auch unbedingt "professionell" und im journalistischen Sinne "gut". Teure und professionelle Paparazzi-Fotos mögen zwar die Sensationslust einer bestimmten Zielgruppe befriedigen, werden hingegen von vielen anderen zu recht als "Journalismus auf unterstem Niveau" abqualifiziert, verfehlen also das Kriterium "gut". Dennoch haben die Zeitungen, die solche Fotos drucken, eine viel größere Reichweite als die "guten".

Die "guten" Angebote wiederum müssen nicht unbedingt teuer sein. Das von Ihnen lobend erwähnte Spiegel Online produziert so effizient, dass es sich alleine durch Werbung trägt.

Fazit: Mehr Vielfalt ist erwüncht, vom privaten Blog bis zum hochwertigen Medienangebot. Aber bitte nicht auf Gebührenkosten!


Kai
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[1.1] voltaire antwortet auf Kai Petzke
21.04.2008 14:16
Benutzer Kai Petzke schrieb:


Nicht jedes "teuer recherchierte" Angebot ist auch unbedingt "professionell" und im journalistischen Sinne "gut". Teure und professionelle Paparazzi-Fotos mögen zwar die Sensationslust einer bestimmten Zielgruppe befriedigen, werden hingegen von vielen anderen zu recht als "Journalismus auf unterstem Niveau" abqualifiziert, verfehlen also das Kriterium "gut".

Die Logik teuer=gut habe ich nie behauptet, nur gehören investigative Recherchen (z.B. zur Siemens-Affaire, zu Parteispendenskandalen, zu Giften in Lebensmitteln, Doping im Spitzensport u.ä.) meist zu den kostspieligeren Aktivitäten (die ÖR-Sender könnten gerade dort allerdings noch mehr tun). Wenn für solche Aufgaben Gebührengelder eingesetzt werden, ist das nur im Sinne der demokratischen Öffentlichkeit, zumal dann, wenn die privatwirtschaftlichen Medien sich aus kommerziellen Gründen nicht an die Aufdeckung herantrauen. Und die handfesten politischen und ökonomischen Skandale, die von Bloggern aufgedeckt worden sind, halten sich dann doch in Grenzen. Bestimmte journalistische Leistungen erfordern eine hauptberufliche Tätigkeit.

Dennoch haben die
Zeitungen, die solche Fotos drucken, eine viel größere Reichweite als die "guten".


Selbstredend; und genau deswegen brauchen wir öffentlich finanzierte journalistische Angebote (auch im Internet), die nicht dieser Reichweitenlogik folgen.

Die "guten" Angebote wiederum müssen nicht unbedingt teuer sein. Das von Ihnen lobend erwähnte Spiegel Online produziert so effizient, dass es sich alleine durch Werbung trägt.

Spiegel online ist aber auch als gutes Angebot teuer. Wäre es billiger, wäre das Angebot auch schlechter. Und nicht jedes gute Angebot trägt sich durch Werbung.


Fazit: Mehr Vielfalt ist erwüncht, vom privaten Blog bis zum hochwertigen Medienangebot. Aber bitte nicht auf Gebührenkosten!

Warum nicht? Es gibt aus guten Gründen ein duales Rundfunksystem (neben den etablierten Sendern kann ansonsten mittlerweile fast jeder Radio / Fernsehen ins Netz stellen), warum sollte die Medienpräsenz im Netz nicht auch diesem Orndungsprinzip gehorchen, zumal es hauptsächlich darum geht, ohnehin vorhandenes Material den Internet-Nutzern zusätzlich zur Verfügung zu stellen? Wenn ich Gebühren zahle, möchte ich davon auch etwas im Internet haben. Ich würde in dieser Frage immer die Perspektive des mündigen Mediennutzers wählen und nicht die der Verlags-Lobbyisten, die jetzt merken, dass sie vor Jahren eine Entwicklung verpennt haben...


Kai
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[1.1.1] Kai Petzke antwortet auf voltaire
21.04.2008 15:21
Benutzer voltaire schrieb:

zumal es hauptsächlich darum geht, ohnehin vorhandenes Material den Internet-Nutzern zusätzlich zur Verfügung zu stellen?

Gegen diese Form des Internetauftritts - Zweitverwertung bestehender Inhalte - habe ich im Editorial nichts eingewendet, sondern nur gegen das deutlich darüber hinausgehende Streben, auch für das Internet ein öffentlich-rechtliches Vollprogramm zu entwickeln.


Kai
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[2] mgroeber antwortet auf voltaire
21.04.2008 11:23
Benutzer voltaire schrieb:
Die gepriesene Internet-Meinungsbildung-Demokratie ist rührend, aber doch naiv. Wer die Nutzungsstatistiken sich anschaut sieht, dass der 'normale' Netznutzer im Schnitt 8 Seiten nutzt. Und die professionellen Medienangebote sind gegenüber den Liebhaber-Blog-Angeboten immer deutlich im Vorteil. Es ist

Diese Argumente finde ich durchaus bedenkenswert. Allerdings könnte man sie doch genauso gut auch auf die Landschaft der Printmedien anwenden, und sich z.B. als Gegengewicht zu den privatwirtschaftlichen Tageszeitungen zumindest ein öffentlichr-rechtliches Blatt wünschen.

Ich finde vor allem das Grundprinzip der Diskussion wichtig: die "Zukunftsfähigkeit" von ARD/ZDF in neuen Medien ist kein unabänderliches Recht, sondern ein Privileg, das für jedes Medium neu begründet werden muß - vielleicht ist das Ergebnis, daß man das Internet wie Druckmedien behandeln sollte, oder vielleicht auch, daß es eher wie Rundfunk im Prinzip ein knappes Gut mit dem Risiko von Monopolen ist, das man nicht ganz dem Markt überlassen darf.

Aber es sollte kein Automatismus sein, daß ab sofort jedes neue Medium ohne weitere Diskussion eine öffentlich-rechtliche Komponente bekommt; damit geht auch das Verständnis für die Gründe des ÖRR verloren.

Für mich ist zumindest die Tatsache, daß der durchschnittliche (?) Internet-Nutzer nur wenige Seiten ansteuert, nicht unbedingt ein Problem - denn wir machen ja auch die Gebührenpflicht nicht davon abhängig, ob jemand wirklich jemals ARD oder ZDF schaut; vermutlich, weil man annimmt, daß allein schon die Existenz dieser Programme eine gewisse Meinungsvielfalt in der Diskussion sichert, selbst, wenn nicht jeder sie persönlich in Anspruch nimmt.

Ich bin selbst durchaus auch ein ÖRR-Vielnutzer (vor allem das, was jenseits der "Grundversorgung" liegt, wie arte, Phoenix, 3sat usw.), aber ich habe doch ein bißchen Bauchschmerzen dabei, was für ein quasi-staatlicher Apparat aufgebaut wird (natürlich, auch und gerade Meldepflicht für Rundfunkgeräte und die GEZ), um das möglich zu machen - irgendwie macht mir gerade die deutsche Geschichte den Gedanken sympathisch, aus Prinzip den reinen Besitz von Rundfunkempfängern völlig unreguliert und -registriert zu belassen.

ciao marcus
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[3] Florida Rolf antwortet auf voltaire
22.04.2008 01:54
Benutzer voltaire schrieb:
Ich möchte auf gut und kostspielig recherchierten Journalismus nicht zugunsten noch so vieler, im Ansatz noch so sympathischer Blogs und web 2.0 Angebote verzichten.

Das einzig kostspielige daran ist, dass diese Schwachmaten von Der GEZtapo ständig vor meinem Haus abhängen.