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Verständnisfrage


09.11.2010 01:36 - Gestartet von spaghettimonster
einmal geändert am 09.11.2010 01:39
"Hinzu kommen regulatorische Unsicherheiten. Das Vermieten einer einzelnen Anschlussleitung an die Konkurrenz - wozu die Telekom beim herkömmlichen Festnetz gezwungen ist, ist mit GPON-Bäumen nicht möglich. Man müsste hier immer alle Kunden auf einmal migrieren."

Verstehe ich nicht. Warum kann eine Glasfaser zum Kunden nicht in der Vermittlungsstelle mit dem "GPON-Baum" eines anderen Anbieters verbunden werden? Die EU-Kommission hat am 20.09.2010 auf Grund von Stellungnahmen aller 27 Regulierungsbehörden, des GEREK und von 170 Stellungnahmen aus öffentlichen Konsultationen beschlossen, dass es beim "wettbewerbsbestimmten Zugang Dritter zu ultraschnellen Glasfasernetzen ('NGA-Netze')" "keine Freistellung von der Regulierung" geben werde.
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[1] Kai Petzke antwortet auf spaghettimonster
09.11.2010 11:10
Benutzer spaghettimonster schrieb:

Verstehe ich nicht. Warum kann eine Glasfaser zum Kunden nicht in der Vermittlungsstelle mit dem "GPON-Baum" eines anderen Anbieters verbunden werden?

Ein GPON-Baum kommt in der Vermittlungsstelle als einzelne Faser an (dort ist dann sozusagen der "Stamm") und wird in der Nähe des Kunden in mehrere Fasern aufgeteilt, die in die einzelnen Wohnungen führen (die geteilten Fasern kann man sich als die "Äste" des Baums vorstellen, die Wohnungen dann als die "Blätter").

Ein großes FTTH-Netz umfasst viele solcher GPON-Bäume. Jeder einzelne Baum verbindet die Vermittlungsstelle mit ca. 30 bis 60 Kundenanschlüssen.

Zur eigentlichen Frage: Es ist m.W. im Standard nicht vorgesehen, dass man auch vermittlungsstellenseitig wieder passiv aufteilt, also zum Beispiel vier Anbieter ihre Signale in denselben GPON-Baum einspeisen. Und selbst, wenn der Standard die technischen Probleme diesbezüglich lösen würde (z.B. festlegt, wie sich die einzelnen line cards unterschiedlicher Anbieter koordinieren, die ihre Signale in denselben GPON-Baum schicken, denn es kann ja immer nur einer auf einmal senden), würde das vermittlungsstellenseitige splitten die Signalstärke reduzieren, mit der Folge, dass endkundenseitig weniger gesplittet werden kann. Wenn der Gesamt-Splittingfaktor aufgrund der maximal verwendeten Faserlänge zum Beispiel bei 1:64 liegt, und vermittlungsstellenseitig nun 1:4 gesplittet wird, dann bleibt kundenseitig nur noch 1:16, oder besser gar 1:8, damit man noch Reserven hat.

Und durch die Festlegung des Gesamt-Splits ist auch der Vermittlungsstellen-Split dann fixiert. Wurde er z.B. mit 1:4 vorgesehen, dann ist nach vier Anbietern Schluss; ein fünfter kann nicht mehr auf die Faser.

Denkbar wäre freilich, in der Vermittlungsstelle aktive Splitter zu verwenden. Diese würden dann N Signale von N Carriern zu einem einzelnen GPON-Signal zusammenfassen. Aber das wäre dann wieder zusätzliche, garantiert nicht billige aktive Technik. Und es wird garantiert Streit darum geben, wer diese bezahlt. Und es stellt sich auch die Frage, ob es überhaupt schon einen Hersteller für solche aktiven vermittlungsstellenseitigen GPON-Splitter gibt.

Die EU-Kommission hat am 20.09.2010 auf Grund von Stellungnahmen aller 27 Regulierungsbehörden, des GEREK und von 170 Stellungnahmen aus öffentlichen Konsultationen beschlossen, dass es beim "wettbewerbsbestimmten Zugang Dritter zu ultraschnellen Glasfasernetzen ('NGA-Netze')" "keine Freistellung von der Regulierung" geben werde.

Die Frage ist nicht, ob es hier Regulierung geben wird, sondern, auf welcher Ebene der Zugang gewährt werden soll. Es muss ja nicht unbedingt auf der physikalischen Ebene durch Umschalten von Kabeln passieren, sondern es ist auch denkbar, nur "logischen" Zugang zu gewähren: Bitstream-Access, wo einfach alle Datenpakete auf den neuen Anbieter umgeleitet werden, ist ja auch schon beim herkömmlichen DSL möglich (wenn auch in Deutschland nicht sonderlich etabliert, dafür in einigen Nachbarländern um so stärker) und Resale geht auch immer.

Man kann jetzt natürlich auch böse sein, und auf die Idee kommen, die großen Ex-Monopolisten interessieren sich auch deswegen so stark für passive optische Netze, weil diese so schwer zu teilen sind. Aber auch bei aktiven optischen Netzen wäre zur Aufteilung auf zwei oder mehr Carrier jeweils ein optischer Switch erforderlich; nur, dass dieses ein Standardprodukt mit recht großen Stückzahlen sind, denn diese Switches sind ja nicht anders als die, die in Kundennähe zum Aufteilen der Faser verbaut werden.


Kai
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[1.1] spaghettimonster antwortet auf Kai Petzke
09.11.2010 15:53
Benutzer Kai Petzke schrieb:
Zur eigentlichen Frage: Es ist m.W. im Standard nicht vorgesehen, dass man auch vermittlungsstellenseitig wieder passiv aufteilt, also zum Beispiel vier Anbieter ihre Signale in denselben GPON-Baum einspeisen. Und selbst, wenn der Standard die technischen Probleme diesbezüglich lösen würde (z.B. festlegt, wie sich die einzelnen line cards unterschiedlicher Anbieter koordinieren, die ihre Signale in denselben GPON-Baum schicken, denn es kann ja immer nur einer auf einmal senden), würde das vermittlungsstellenseitige splitten die Signalstärke reduzieren, mit der Folge, dass endkundenseitig weniger gesplittet werden kann.

Danke, ich verstehe es aber immer noch nicht. Laut Artikel gibt es doch bereits viele GPON-Bäume. Wenn ich das richtig verstanden habe, findet dort ein Splitting des Signals statt. Was spricht dagegen, einen dieser vorhandenen GPON-Bäume oder zB den letzten GPON-Baum in der Vermittlungsstelle zu verorten oder einer vergleichbaren Stelle, auf die jedenfalls mehrere Anbieter mit Zugriff haben, und zwar so, dass hintendran noch Luft ist für eine festgelegte Distanz? Ich nehme an (ohne ihn gelesen zu haben), der Standard besagt wegen der physikalischen Grenzen höchstens, dass GPON-Bäume alle soundsoviel km aufzustellen sind, aber nicht, ob drumherum eine Vermittlungsstelle gebaut ist. Selbst wenn, dürfte EU-weiter Druck hier doch weiterführen, sofern technisch durchführbar.

es ist auch denkbar, nur "logischen" Zugang zu gewähren: Bitstream-Access, wo einfach alle Datenpakete auf den neuen Anbieter umgeleitet werden, ist ja auch schon beim herkömmlichen DSL möglich

Ein Stück weit ist das aber auch Resale statt unabhängige Infrastruktur (noch über die letzte Meile hinaus), schafft Abhängigkeit von der Konkurrenz und muss teuer und dauerhaft reguliert werden. Ich sehe die Berechtigung für Bitstream dort, wo der Ausbau mehrerer Netze nicht rentabel ist, bevor der Kunde gar keine Wahl hat. Aber als Ersatz für infrastrukturellen Wettbewerb?
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[1.1.1] Kai Petzke antwortet auf spaghettimonster
10.11.2010 08:22
Benutzer spaghettimonster schrieb:

Ich nehme an (ohne ihn gelesen zu haben), der Standard besagt wegen der physikalischen Grenzen höchstens, dass GPON-Bäume alle soundsoviel km aufzustellen sind, aber nicht, ob drumherum eine Vermittlungsstelle gebaut ist.

GPON-Bäume sind einfach Glasfaserkabel. An einem Ende eine Faser, am anderen Ende viele. Und der Standard ist so, dass in einem GPON-Baum i.d.R. die maximale Kabellänge ausgereizt ist. Das heißt, wenn man auf die Idee kommt, mehrere GPON-Bäume direkt miteinander zu verbinden, dann wird man feststellen, dass am Ende einer solchen Baumkette kein vernünftiges Signal mehr ankommt. Genauso, wie man es vom DSL her kennt, wenn das Telefonkabel zu lange ist.

Und deswegen ist es nötig, dass ein GPON-Baum jeweils in einer Vermittlungsstelle beginnt, und dann direkt bei den Kunden endet. Das alles ohne weitere zwischengeschaltete Bäume.

Natürlich kann man auch unterschiedliche Bäume verbinden, wenn man wieder aktive Technik dazwischenschaltet. Das ist dann analog den outdoor-DSLAMs, die man von VDSL kennt.


Kai