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Handwerklich wieder nix von rot/grün


17.06.2004 16:13 - Gestartet von YepYep
Tja, was soll man dazu sagen? Die gängige Rechtssprechung scheint bis zu sieben Privatkopien, die mit Verwandten oder Freunden getauscht werden, 'zu tolerieren'.
Nach der Urheberrechtsnovelle darf beim Herstellen der Kopien ein ev. vorhandener Kopierschutz nicht umgangen oder ausgehebelt werden. Demnach scheint es derzeit zulässig, eine analoge Widergabe zu digitalisieren und so eine legale Privatkopie eines kopiergeschützten Tonträgers herzustellen.

Was das Recht angeht, diese Kopien auch tauschen zu dürfen, läuft es darauf hinaus: Neben der zulässigen Zahl von Kopien müßte auch gesetzlich verankert werden, wem eine solche Privatkopie zum Tausch angeboten werden darf und mit wem der Tausch vollzogen werden darf.

Verwandschaft: Alle Menschen sind miteinander verwandt, man muß nur weit genug zurückgehen und wird eine gemeinsame Abstammungslinie finden. Kein Wissenschaftler wird das bestreiten wollen.
Es müßte also auch noch ein mindestens erforderlicher Verwandschaftsgrad festgelegt werden.

Freunde: Tja, wer ist das? Ist der Feind meines Feindes mein Freund, wie ein Sprichwort sagt? Was sind die gesetzlichen Anforderungen an 'Freundschaft'?

»Voraussetzung für eine "Freundschaft" im Sinne dieses Gesetzes ist eine mindestens einmalige, physische Begegnung mit wenigstens fünfminütiger, eindeutig gegenseitig gerichteter sprachlicher (oder bei Sprachbehinderten nach Vorlage eines amtlichen, gültigen Schwerbehindertenausweises auch nonverbaler) Kommunikation in Gegenwart von Zeugen.«

Nein, so wird das sicher nicht funktionieren können.

Angebot und Tausch: Selbst wenn die Frage der Verwandschaft oder Freundschaft erschöpfend geklärt würde, so erhebt sich die Frage nach der Zulässigkeit des Angebots- und Tauschvorgangs. Wie sind Kontaktanzeigen wie »Suche Freund/Freundin für gemeinsame Interessen wie Musiktausch« dann zu bewerten? Sind solche Freundschaftsangebote dann illegal? Sind Freundschaften, die auf diese Weise zustandekamen gebrandmarkt, so daß dort auch in Zukunft keine Musik getauscht werden darf? Was wäre mit einem MP3-Tausch-Service, der zwischen zwei beliebigen Parteien die für den legalen Tausch erforderlichen Verwandschafts- bzw. Freundschaftsbeziehungen ermittelt? Was ist mit einseitig empfundener Freundschaft: A schenkt B, den Sie als Freund ansieht eine Privatkopie, aber B erwiedert Ihre Gefühle nicht in gleichem Maße. Illegal?

Auch in diesem Fall entstehen deutlich mehr Fragezeichen als Rechtssicherheit.

Letztendlich ergeben sich folgende Möglichkeiten, wenn man davon ausgeht, daß der Musikindustrie künftig auch analoge Privatkopien ein Dorn im Auge sein werden:

Die Privatkopie wird generell für illegal erklärt.
DRM erhält die totale Kontrolle über praktisch alle Geräte, die zur Medienwiedergabe dienen.
Eine pauschale Ausgleichstaxe für Internet-Übertragungsvolumen, ähnlich den Pauschalabgaben für bespielbare Medien.



Eine weitere Frage ergibt sich aus dem o.g. Wortlaut:
...
Da die Musiktitel jedermann zum Download angeboten worden sind, ist die Vervielfältigung nicht zum privaten Gebrauch erfolgt.
Die Begründung ist insofern bemerkenswert, als zum Zeitpunkt des Angebotes ja noch gar keine entsprechende Kopie erstellt worden ist - es handelt sich lediglich um ein Angebot, über dessen Inhalt und Ernsthaftigkeit sicher noch zu entscheiden wäre. Stellt man z.B. folgenden Fall dagegen ...
... falls ein Mädchen bei der Folter 'kaputtgehe', werde man auch gegen einen Aufpreis von 3.000 Mark die 'Entsorgung des Kadavers' übernehmen.
Der Vorsitzende Richter Peter Froelich begründete den Freispruch in den Hauptanklagepunkten damit, daß die Ernsthaftigkeit der Datennetzangebote nicht feststellbar sei. Zwar sei im Hause des Paares, das sich 'Sado-Henker' und 'Domina-Lederhexe' nannte, ein Folterkeller entdeckt worden, doch habe dieser den Bedürfnissen des sadomasochistisch veranlagten Mannes gedient und offensichtlich nicht der Mißhandlung von Kindern. Es gebe auch keine Spuren, daß dort jemals Kinder gequält worden seien. Auch das Auftragsbuch der Beschuldigten sei kein Beweis dafür, daß sie das Geschäft mit dem potentiellen Kunden tatsächlich hätten ausführen wollen.
... so fragt man sich wirklich, warum im einen Fall die Ernsthaftigkeit des Angebotes unterstellt wird, im anderen nicht.
Wird ein Angebot zum Musiktausch in Deutschland also schon härter geahndet als das Angebot, Kinder zu Tode zu foltern?

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[1] GKr antwortet auf YepYep
17.06.2004 16:47
Benutzer YepYep schrieb:
--------- gelöscht -----------------

Stellt man z.B. folgenden Fall dagegen ...
... falls ein Mädchen bei der Folter 'kaputtgehe', werde man auch gegen einen Aufpreis von 3.000 Mark die 'Entsorgung des Kadavers' übernehmen. Der Vorsitzende Richter Peter Froelich begründete den Freispruch in den Hauptanklagepunkten damit, daß die Ernsthaftigkeit der Datennetzangebote nicht feststellbar sei. Zwar sei im Hause des Paares, das sich 'Sado-Henker' und 'Domina-Lederhexe' nannte, ein Folterkeller entdeckt worden, doch habe dieser den Bedürfnissen des sadomasochistisch veranlagten Mannes gedient und offensichtlich nicht der Mißhandlung von Kindern. Es gebe auch keine Spuren, daß dort jemals Kinder gequält worden seien. Auch das Auftragsbuch der Beschuldigten sei kein Beweis dafür, daß sie das Geschäft mit dem potentiellen Kunden tatsächlich hätten ausführen wollen. ... so fragt man sich wirklich, warum im einen Fall die Ernsthaftigkeit des Angebotes unterstellt wird, im anderen nicht.
Wird ein Angebot zum Musiktausch in Deutschland also schon härter geahndet als das Angebot, Kinder zu Tode zu foltern?

Das ist ein äusserst seltsamer Vergleich ohne jeden Zusammenhang mit dem Thema. Und was die Überschrift damit zu tun hat, entgeht mir auch völlig. Ärgerlich.

GKr
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[1.1] pistazienfresser antwortet auf GKr
29.06.2004 15:49
Benutzer GKr schrieb:
Benutzer YepYep schrieb:
>>...

>... Und was die Überschrift damit zu
tun hat, entgeht mir auch völlig. Ärgerlich.

GKr
Vor allem weil die hier wesentlichen Verschärfungen des Urhebergesetzes im Bezug auf das Internet wohl eher aus dem nicht rot-grün dominierten Bundesrat kamen:
https://www.teltarif.de/forum/s13105/2-6.html
mit weiteren Nachweisen
http://dip.bundestag.de/btd/15/013/1501353.pdf
Im Übrigen diente die Urheberrechtsnovelle doch eher Umsetzung von EU-Richtlinien, wenn ich mich nicht irre. Also ist man wohl auch selbst schuld, wenn man z.B. nicht zur EU-
Wahl geht oder sich nicht informiert, wer welche Positionen zu Urheberrecht im europäischen Rahmen vertritt (Von welcher Patei war nochmal der Vorsitzende des Eu-Parlamentsausschusses, der die umfassenden Software-Patente so toll fand???)
Beste Grüße
pistazienfresser
PS: Die Diskussion erinnert mich ein wenig an einen Liedtext von Rudi Carell zum Klima.
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[1.1.1] Jens Wolf antwortet auf pistazienfresser
30.06.2004 07:15
Benutzer pistazienfresser schrieb:
Vor allem weil die hier wesentlichen Verschärfungen des Urhebergesetzes im Bezug auf das Internet wohl eher aus dem nicht rot-grün dominierten Bundesrat kamen:
https://www.teltarif.de/forum/s13105/2-6.html
mit weiteren Nachweisen http://dip.bundestag.de/btd/15/013/1501353.pdf Im Übrigen diente die Urheberrechtsnovelle doch eher Umsetzung von EU-Richtlinien, wenn ich mich nicht irre. Also ist man wohl auch selbst schuld, wenn man z.B. nicht zur EU- Wahl geht oder sich nicht informiert, wer welche Positionen zu Urheberrecht im europäischen Rahmen vertritt (Von welcher Patei war nochmal der Vorsitzende des Eu-Parlamentsausschusses, der die umfassenden Software-Patente so toll fand???) Beste Grüße
pistazienfresser PS: Die Diskussion erinnert mich ein wenig an einen Liedtext von Rudi Carell zum Klima.

So ist es! Und die wenigsten Rot-Grün-Kritiker kapieren, dass die Alternative Schwarz-Gelb oder nur Schwarz nochmal deutlich üblere Vorstellungen und "Konzepte" hat, als die derzeitig Regierenden. Das ist auch der Grund für die Politikverdrossenheit vieler (gerade im Ostteil Deutschlands): diejenigen, die das DOCH ENDLICH erkannt haben, sind von Regierung und Opposition und damit auch von unserer Demokratie enttäuscht. Es fehlen die wahren Vertreter von realistischen alternativen Konzepten zur derzeitigen Politik, obwohl diese Konzepte teilweise nicht nur existieren, sondern in anderen (v.a. kleineren) Ländern bereits auch wirksam FUNKTIONIEREN...

Die Wahl zwischen Cholera und Pest in der jetzigen deutschen Politiklandschaft zementiert nur den Abbau des Sozialstaates und die verschwindende Verantwortung anderen gegenüber. Der Turbo-Kapitalismus hatte während der Konkurrenzphase "Kalter Krieg" jedenfalls keine Chance in West- und Nordeuropa. Jetzt aber ist dieser "Wettbewerb" um das Wohlergehen ALLER abhanden gekommen und Dinge, die früher nichtmal vorstellbar waren, werden uns jetzt sowohl von der Sozialdemokratie als auch (und nach meinem Empfinden noch viel, viel heftiger) von der Union reingedrückt.

Für mich gilt: Demokratie und Marktwirtschaft ja, aber auch soziale Ausgewogenheit und strikte Massnahmen und (Kartell-)behörden zur Aufrechterhaltung des FREIEN Marktes mit sozialen Mindeststandards. Was nicht mehr finanzierbar ist muss eben zukunftssicher UMgebaut werden, d.h. aber NICHT dass alles ABgebaut werden muss. Denn Geld ist genug da, das sieht man z.B. an den sinnlosen (Machterhalts- und Unterdrückungs-)Militäretats der westlichen Industriestaaten. Dieser Posten ist meist MINDESTENS der zweitgrößte Haushaltsposten neben den Sozialkosten (Renten und Versicherungen)...

Und seien wir mal ehrlich: die grosse Koalition gibts jetzt und gabs auch schon unter Kohl. 90% aller Gesetze werden hinter den Kulissen in den Bundestagsausschüssen oder im Vermittlungsausschuß von Bundestag und -rat von BEIDEN Parteien mitgetragen. Der Rest in öffentlicher Profilierungsshow, v.a. im Wettbewerb "wer demontiert den Sozialstaat am Effektivsten und raubt ihm mit sinnlosen Beschlüssen die finanzielle Grundlage, um ihn langfristig so gegen die Wand zu fahren, dass gar nichts mehr übrigbleibt". Die Wirtschaftslobbyisten der GROSSIndustrie, Banken und Versicherungen haben schon längst die Richtung unserer Demokratie festgelegt...
Den Höhepunkt des "Wohlstands für die breite Masse" haben wir damit also schon hinter uns gelassen. Als Endzwanziger sehe ich nur noch, dass es meine Elterngeneration wohl noch am Besten getroffen hatte und ich eigentlich nur noch durch DEREN Hinterlassenschaft langfristig profitiere. Der Staat aber hat MIR keinen SICHEREN (!!) Wohlstand mehr zu bieten und will das auch gar nicht mehr (im Gegensatz zu früher), auch wenn es mir JETZT NOCH sehr, sehr gut geht...