Benutzer comedian schrieb:
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Zunächst ist die Frage, ob das Fernmeldegeheimnis überhaupt tangiert ist. In P2P Tauschbörsen wie Kazaa findet keine individuelle Nachrichtenübermittlung von Person zu Person statt, weil die Dateien nicht einer einzelnen Person, sondern der breiten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Folge: §§ 85 TKG, 206 StGB sind nicht einschlägig.
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Einzig tangiertes Recht wäre die informationelle Selbstbestimmung.
Dazu tendiere ich auch, deshalb habe ich es auch genannt. Die für die Allgemeinheit zunächst verborgenen Daten sind allerdings die der Identität des Teilnehmers. Wenn auch in § 206 V S.2 StGB ausdrücklich einfachgesetzlich vom Schutzbereich des Fernmeldegeheimnisses die Tatsache erfasst wurde, ob jemand überhaupt am Telekommunikationsvorgang beteiligt war, so liegt bei Tauschbörsen wohl wegen der fehlenden Schutzfähigkeit der Inhalte schon gar kein Telekommunikationsvorgang im Sinne von Art. 10 GG vor.
Schwieriger könnte es sein, wenn die Tauschpartner den Tausch über eine verschlüsselte Verbindung durchführen würden. Nach dem GG-Kommentar, den ich hier habe, ist zumindest bei verschlüsselter e-Mail der Schutzbereich des Art. 10 (Fernmeldegeheimnis) dann gegeben (Michael Sachs, GG, München 2003, Art. 10 Rn. 14 am Ende). Wenn zuvor aber die Inhalte (z. B. Liederdateien) durch Veröffentlichung in Tauschbörsen bekannt sind, könnte man auch dann daran zweifeln, ob Telekommunikation vorliegt. Allerdings könnte es darauf ankommen, ob tatsächlich öffentlich wird,
w e l c h e Inhalte (Lieder) genau übertragen werden.
Für eine verschlüsselte E-Mail mit Liedern ohne eine Tauschbörse würde ich schon den Schutzbereich des Art. 10 gegeben sehen, so dass der Staat nur zur Verfolgung g a n z schwerer Straftaten hier abhören dürfte (vgl. schon die Aufzählung § 100 a StPO).
Zivilrechtlich ergibt sich für den
Rechteinhaber ein Auskunftsanspruch nach § 28 III Ziff. 1 BDSG. Die Interessenabwägung dürfte schon wegen der Strafbarkei des Handelns zu Lasten des Filesharingusers gehen.
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Gegenüber den Strafverfolgungsbehörden ist der ISP wegen § 5 S. 2 TDDSG ausdrücklich zur Weitergabe der Identität des Nutzers ermächtigt.
Allein dass der einfachgesetzliche Gesetzgeber ein Handeln strafbar gemacht hat, ist bei der verfassungsrechtlichen Prüfung kein schlagendes Argument in der Verhältnismäßigkeit. Wenn der Gesetzgeber z.B. Rülpsen am Telefon strafbar machen würde, so wäre dies für die Grundrechtsprüfung auch nicht ausschlaggebend, wenn der Staat dann rülpsende Bürger am Telefon abhören möchte.
Bei der Entscheidung zum Lauschangriff ließ das Bundesverfassungsgericht auch nur ganz erhebliche Straftaten ausreichen, damit in die Unverletzlichkeit der Wohnung eingegegriffen werden kann.
Allerdings könnte (angeblich?) hohe Schaden der Musikindustrie und die fehlenden Alternativen bei der Bekämpfung wohl bei der Verhälnismäßigkeit den Ausschlag geben können.
Beste Grüße
pistazienfresser