Zensur unterlaufen

So wird die große chinesische Internet-Mauer überwunden

extra3 will von Chinesen gesperrte Seiten zugänglich machen
Von Jan Rähm

Die Chinesen nennen sie den "Goldenen Schutzschild". Hierzulande wird sie immer häufiger "virtuelle Chinesische Mauer" in Anlehnung an ihr Jahrtausende altes Vorbild aus Stein genannt. Die Rede ist von der "Great Firewall" - Chinas übermächtiger Internetzensur. Und was Millionen von Chinesen alltäglich im Netz behindert, stößt nun auch westlichen Journalisten bitter auf. Sie können viele - zum Teil China-kritische - Webseiten nicht mehr aufrufen, zum Teil sogar die der eigenen Redaktion. Damit ist die Zeit für all jene gekommen, die ein Schlupfloch durch die große elektronische Mauer gefunden haben. Neben technischen Lösungen gibt es auch ganz simple, wie die des NDR-Satiremagazins extra3. Da deren Webpräsenz (noch) nicht von den chinesischen Zensoren blockiert wurde, bieten sie einen Service für alle, die hinter der Mauer sitzen. extra3 ermöglicht ganz einfach, die gesperrten Seiten über die extra3-Homepage abzurufen - im Pdf-Format. So werden zwar nur wenige ausgewählte Inhalte abrufbar, aber immerhin kommen diese an den Zensurmaßnahmen vorbei.

Doch es gibt auch ausgefeiltere Maßnahmen. Unter chinesewall.ccc.de [Link entfernt] verrät der Chaos Computer Club (CCC) Techniken und Umgehungsmöglichkeiten der Zensurmaßnahmen. Drei einfache Wege gebe es: Erstens die Nutzung eine Proxys. Das ist ein Computer irgendwo im Internet, der darauf programmiert ist, Daten einfach nur weiterzuleiten, im Idealfall verschlüsselt. Als zweiten Weg empfiehlt der CCC Anonymisierungsdienste. Sie leiten jede Internet-Kommunikation des Computers durch eine Reihe von Computern im Internet, sodass der Ursprung der Anfragen nicht mehr ohne weiteres feststellbar ist. Doch diese Technik hat zumindest in Deutschland ein großes Problem: Sie ist nicht ganz legal, auch wenn sie nicht direkt illegal ist. Die umstrittene Vorratsdatenspeicherung kriminalisiert den Betrieb von Knoten dieser Dienste. Ein ganz und gar legaler, wenn auch technisch etwas aufwändigere Weg ist die Benutzung eines sogenannten VPN-Tunnels. Das ist eine sicher verschlüsselte Direktleitung zwischen einem Computer und einem entfernten Netzwerk. Durch diesen Tunnel werden alle Anfragen verschlüsselt und sind so der Kontrolle durch den Zensor entzogen.

Webseiten in Bilder umwandeln

Einen anderen Ansatz, die chinesische Zensur zu umgehen, haben die Macher des Kunstprojekts picidae erdacht: Sie wandeln Webseiten in Bilder um. Die können vom Wortfilter nicht automatisch gescannt und somit nicht selektiv blockiert werden. Doch die Webseite des Projekts wurde kurz vor Beginn der Spiele gesperrt, berichtet Christoph Wachter im Gespräch mit teltarif.de. "Aber unser Projekt ist dennoch erreichbar", erklärt Wachter. Möglich sei das, weil das ganze Projekt offen als Open Source angelegt wurde. Es sein ein Netzwerk vieler "Pici-Server" und "Pici-Proxys" entstanden und täglich würden es mehr. Viele von ihnen sind noch immer in China erreichbar. Ihr Trick: Sie treten unter vielen verschiedenen Bezeichnungen auf. Nur der eigentliche Name picidae wird nirgends erwähnt. Auch skurrile Umsetzungen habe es gegeben, erzählt Wachter lachend. So hätten einige Chinesen Videos mit den Inhalten der Projektseiten gemacht. Ein Aktivist habe sogar die gesamte Seite in einem Audio-File vorgelesen.

Zurück zur Aktion von extra3. Die Macher sehen sich als Kämpfer für die Pressefreiheit und bezeichnen sich selbst als "U-Boot der Meinungsfreiheit". Doch wie lange die Aktion Erfolg haben wird, bleibt abzuwarten. Die Wächter des goldenen Schutzschilds stehen im Ruf, sehr schnell zu sein, und so wird es nur Frage der Zeit sein, bis auch der Zugang zur Satire-Repräsentanz mit einer harmlosen Fehlermeldung versperrt sein wird.