Verschlüsselung

Editorial: Haben Sie für Ihren Satelliten schon GEZahlt?

Wenn aus Free-TV ein Pay-TV light wird
Von Thorsten Neuhetzki

Nach der Umstellung der Satellitenanlage von analog auf digital war die Freude groß: Das Bild war gestochen scharf, die angeschlossene Hi-Fi-Anlage sprang zeitweise auf Dolby Digital 5.1 um und die Auswahl an Programmen war schier unendlich. Künftig könnte das wieder anders aussehen. Zumindest dann, wenn man seinen Wohnsitz auf Mallorca hat oder nicht gewillt ist, ein zweites, drittes oder viertes Mal für den Empfang von Fernsehprogrammen zu zahlen. Denn der Marktführer im Bereich Satelliten-Direktempfang, SES Astra, und zahlreiche Fernsehsender wie RTL (RTL, RTL2, Super RTL, VOX), Viacom (MTV, Viva, Viva Plus, Nick) und Das Vierte haben angekündigt, ihr Fernsehsignal künftig "zu schützen". Sprich: Das Fernsehbild soll verschlüsselt werden.

Die Folge der Verschlüsselung: Ein großer Teil der in den vergangenen Jahren gekauften Receiver wird vermutlich auf den Entsorgungshöfen der Republik landen. Denn die meisten Receiver, die günstig im Baumarkt oder im Elektronikmarkt gekauft wurden, haben keinerlei Möglichkeit, Fernsehsignale zu entschlüsseln. Modelle für 30, 40 oder 50 Euro verfügen über keinen Kartenslot. Doch auch wer einen Receiver mit Kartenslot hat, könnte diesen unter Umständen zur Elektronikentsorgung geben. Denn Astra setzt bei der Verschlüsselung seines Dolphin-Projektes auf Nagravision, eine Verschlüsselungsnorm, die auch Premiere einsetzt. Wer sich jetzt aber einen Arena [Link entfernt] -tauglichen Sat-Receiver anschafft, schaut sprichwörtlich in die Röhre, da Arena auf Cryptoworks setzt. Aber auch Premiere-Kunden können sich nicht sicher sein, die neuen Free/Pay-TV-Sender mit ihrem Receiver nutzen zu können. Die von Premiere lange Zeit vertriebenen D-Boxen unterstützen eigentlich keine Nagravision und können Premiere nur durch einen von dem Pay-TV-Sender angewendeten Trick entschlüsseln. Die Free-TV-Sender stünden hier außen vor, wenn keine Kooperation mit Premiere gefunden würde.

Kosten von 3,50 Euro drohen schnell zu explodieren

Die Kosten für die Fernsehsender sollen bei 3,50 Euro monatlich liegen. Dabei wird dieser Betrag nicht pro Sender oder Sendergruppe kassiert, sondern wird für die Plattform an sich berechnet. Trotzdem fallen so pro Jahr zusätzliche Kosten von 42 Euro für eine Leistung an, die bislang kostenfrei war. Wer mehrere Fernseher in der Wohnung hat, wird sich auch mehrere Dolphin-taugliche Receiver und entsprechende Kartenverträge anschaffen müssen. Bei größeren Familien mit beispielsweise vier Fernsehern steigen die Kosten somit direkt auf 14 Euro monatlich - 168 Euro jährlich.

Ändern wird sich bei den Sendern durch die in manchen Medien als Pay TV light bezeichneten Kosten nichts. Es wird weiterhin Werbeunterbrechungen geben und auch die ständig wiederkehrenden Einblendungen während der Spielfilme werden nicht verschwinden. Ebenfalls nichts ändern wird sich an den weiterhin fälligen Kosten für die GEZ von monatlich 17,03 Euro. Die monatlichen Kosten zum Fernsehen liegen somit für Digital-Zuseher bei als "Free TV" bezeichneten Sendern inklusive GEZ bei 20,53 Euro für einen Fernseher im Haushalt und bei 31,03 Euro bei vier Fernsehern - einmalige Kosten außen vor gelassen. Hinzu kommen dann noch eventuelle Kosten für das echte Pay-TV bei Premiere, Arena oder anderen Anbietern, die auch wieder pro Fernseher gezahlt werden müssen.

"Das Signal muss geschützt werden"

Sinn der Verschlüsselung ist nach Angaben der Sender, das Signal zu schützen. In Nutzer-Foren lästern die Zuseher schon, man müsse das Signal vor den eigenen Zuschauern schützen - was bei dem ein oder anderen Programmelement sicherlich auch sinnvoll wäre. Doch was zunächst nur davor schützen soll, dass die Free-TV-Ausstrahlung eines Top-Spielfilms in ganz Europa gesehen werden kann, kann schnell zu weiteren Restriktionen führen. So ist denkbar, dass dem Sendesignal ein Code beigegeben wird, der Aufnahmen auf Festplattenrekordern oder DVDs verhindert. Gerade erst in dieser Woche hat ein britischer Privatsender angekündigt, künftig unterbinden zu wollen, dass die Zuschauer bei Aufnahmen auf Festplattenrekordern vorspulen können. Ein weiterer denkbarer Weg ist auch die Verschlüsselung von DVB-T über die RTL wie berichtet schon laut nachgedacht hat. Auch das Tor zu weiteren, möglicherweise anfallenden Kosten, etwa für einen Top-Spielfilm am Samstag Abend im "Free-TV", ist geöffnet. Möglich auch, das eine eigentlich nicht erlaubte Aufzeichnung gegen Gebühr freigeschaltet wird. Erste Schritte in diese Richtung sind bereits zu beobachten: Im digitalen Kabel hat Sat.1 kostenpflichtige Spartenkanäle gestartet.

Unabhängig von den schon geschilderten Problemen gibt es jedoch noch weitere, nicht angesprochene Probleme bei der digitalen Verschlüsselung. So haben beispielsweise Urlauber im Ausland bald das Nachsehen. Einige Jahre könnten die Hotels auf Mallorca, Ibiza und Kreta zwar noch das analoge, unverschlüsselte Fernsehsignal abgreifen, um den Gästen heimische Fernsehprogramme bieten zu können. Doch in ein paar Jahren wird auch damit Schluss sein - die analoge Ausstrahlung soll eingestellt werden.

Am Ende entscheidet der Zuseher

Abzuwarten bleibt, wie viele der sechs Millionen betroffenen digitalen Sat-Empfang-Kunden bereit sind, die 3,50 Euro zu zahlen. Möglich, dass die Kunden zunächst auf das analoge Fernsehen zurückgreifen oder sich direkt für die inhaltlich hochwertigeren, echten Pay-TV-Programme entscheiden und auf die kostenpflichtigen Sender verzichten. Dann wären die "Free-TV"-Sender gezwungen, die Verschlüsselung wieder aufzuheben, wollen sie nicht zahlreiche Zuschauer verlieren. Hier bleibt zu hoffen, dass die Fernsehsender am Ende merken, dass sie auf ihre Zuschauer angewiesen sind und nicht die Zuschauer auf die Fernsehsender. Eine Grundverschlüsselung wäre jedenfalls ein herber Rückschlag für das digitale Fernsehen, der zumindest vorübergehende Umstieg auf die alten Analog-Receiver wäre vorprogrammiert. Eine Entwicklung, die die Sender sicher nicht wollen.