Meinung

Editorial: Abkehr der Telekom von der Ankündigungsstrategie

Lässt der ehemalige Monopolist den jüngsten Worten Taten folgen?
Von Björn Brodersen

Die Deutsche Telekom hat ein Problem: Sie verliert immer mehr Kunden an ihre Wettbewerber. Rund eine halbe Million Festnetzkunden sind im zweiten Quartal dieses Jahres zu alternativen Festnetzanbietern, zu Mobilfunkbetreibern und Kabelnetzfirmen abgewandert. Gleichzeitig hat sie im Mobilfunkbereich im selben Zeitraum mit rund 170 000 Neuverträgen die geringsten Zuwächse unter den deutschen Netzbetreibern erreicht und kämpft mit Marktsättigung und Margenverfall. Diese Zahlen haben selbst Marktbeobachter, die mit einem schlechten Quartalsergebnis gerechnet haben, überrascht.

Für viel Aufsehen haben jedoch auch die Pläne gesorgt, wie der Magenta-Riese das Ruder wieder herumreißen will: Einerseits soll es ab Herbst Festnetz- und DSL-Komplettangebote für unter 40 Euro im Monat geben, andererseits sollen dann Kunden von T-Mobile im Rahmen von Minutenpaketen für weniger als 10 Cent pro Minute in alle Netze telefonieren können. Die Telekom auf dem Weg zur Preisführerschaft auf dem deutschen Markt? Man mag es kaum glauben, denn schließlich hat sich der Bonner Konzern in der Vergangenheit zu oft als zu träge für die sich schnell wandelnde Branche gezeigt.

Chronologie des Zuspätkommens

Einige Beispiele: Bislang sperrt sich T-Mobile gegen die Einführung von so genannten Discount-Marken, die überschaubarere und günstigere Preise, dafür aber auch weniger Service anbieten. Der Mobilfunker E-Plus hat in den vergangenen Monaten mit dieser Strategie erfolgreich seinen Marktanteil vergrößert. Das zum vergangenen Januar eingeführte Produkt T-Mobile@home gab es bereits seit längerer Zeit in ähnlicher Form bei Vodafone und o2. Den Telefon-Pauschaltarif XXL Fulltime hätte die T-Com wohl nicht eingeführt, wären Konkurrenten wie Arcor, HanseNet oder einige VoIP-Anbieter mit ihren Paketangeboten nicht so erfolgreich gewesen. Und auch die Internet-Telefonie führte T-Online deutlich später ein als die Wettbewerber, und dort liegen die Minutenpreise immer noch auf keinem konkurrenzfähigen Niveau.

Bislang vertraute der ehemalige Monopolist, der immer noch rund 90 Prozent der Festnetzanschlüsse in Deutschland geschaltet hat, auf seine Marke, die Bequemlichkeit der Kunden sowie die Qualität seiner Netze und Dienste. Die Einführung von innovativen Diensten und Produkten überließ der Marktführer der Konkurrenz, auf wichtige Trends reagierte er spät, vielleicht auch zu spät. Inzwischen reicht das nicht mehr, um die Kunden bei der Stange zu halten. Die Angebote der Konkurrenz sind attraktiv genug, dass die Kunden in Scharen die Seite wechseln. Steuern die Bonner diesem Trend nicht entgegen, wird sich dies bald noch deutlicher in den Umsatz- und Gewinnzahlen niederschlagen.

Beispiel VDSL: Alles läuft wie bisher

Bleibt zu hoffen, dass die Telekom es nicht bei der bislang praktizierten Ankündigungspolitik belässt und, um den Kahn wieder flott zu machen, ihren Worten im Herbst endlich einmal Taten folgen lässt. Den Verbraucher würde es freuen. Im Breitbandbereich sieht es zurzeit allerdings nicht so aus, als ob der Konzern wirklich eine neue Richtung einschlägt: Der angekündigte Termin für den Start des neuen VDSL-Netzes wurde zumindest nicht eingehalten: Zwar wurde öffentlich verkündet, dass das Hochgeschwindigkeitsnetz in Betrieb gegangen sei, wirklich bestellen kann man es jedoch nicht.

So bleibt abzuwarten, wie die jetzt angekündigten neuen Vollanschluss- und Mobilfunkangebote aussehen. Ein Telefon- mit DSL-Anschluss samt Surf- und Sprachflatrate für knapp 40 Euro gibt es bei den Wettbewerbern bereits; einen Mobilfunktarif, mit dem man innerhalb eines monatlichen Minutenkontingents für rechnerische 9,9 Cent pro Minute telefoniert, ebenfalls. Es sieht also nicht so aus, als ob die Telekom die Angebote der Konkurrenz unterbietet, aber zumindest zieht sie wohl nach. Vielen Kunden wird das erst einmal reichen, schließlich können sie so günstiger telefonieren und surfen, ohne den Anbieter wechseln zu müssen. Der Abwanderungstrend könnte so gestoppt werden. Aber werden sich auch die Aktionäre der Telekom damit zufrieden geben?