neu aufgerollt

Freisprüche im Mannesmann-Prozess auf der Kippe

Bundesrichter äußern Zweifel an Zulässigkeit der Abfindungen
Von ddp / Björn Brodersen

Das umstrittene Urteil im Mannesmann-Prozess steht auf der Kippe. In der Verhandlung des Bundesgerichtshofs (BGH) über die Revision der Staatsanwaltschaft äußerten heute mehrere maßgebliche Richter des 3. Strafsenats Zweifel daran, ob die nachträgliche Gewährung millionenschwerer "Anerkennungsprämien" für ausscheidende Manager zulässig ist. Bundesrichter Gerhard von Lienen, der das Verfahren vorbereitet hat, sagte, er habe "nirgendwo gelesen", dass solche "Ermessenstantiemen ohne vorherige vertragliche Vereinbarung" erlaubt seien. Auch der Vorsitzende Richter Klaus Tolksdorf äußerte sich skeptisch.

Zunächst ging es ausschließlich um die so genannte Anerkennungsprämie von rund 15 Millionen Euro, die für Ex-Mannesmann-Chef Klaus Esser im Zuge der Übernahme des Konzerns durch den britischen Mobilfunkbetreiber Vodafone Anfang 2000 vom Aufsichtsrat nachträglich bewilligt wurde. Das Landgericht Düsseldorf hatte im Juli 2 004 im bislang spektakulärsten deutschen Wirtschaftsstrafverfahren neben Esser fünf weitere Angeklagte vom Vorwurf der Untreue beziehungsweise der Beihilfe dazu freigesprochen. Sie sollen die Mannesmann-Übernahme dazu genutzt haben, um Managern und Ex-Vorständen des Unternehmens Zahlungen in Höhe von insgesamt rund 57 Millionen Euro zufließen zu lassen.

Staatsanwaltschaft will Freisprüche aufheben lassen

Esser nahm als einziger Angeklagter an der Revisionsverhandlung in Karlsruhe teil, äußerte sich aber bis zum frühen Nachmittag nicht. Eberhard Kempf, der Anwalt des ebenfalls angeklagten Deutsche-Bank-Chefs Josef Ackermann - der seinerzeit im Präsidium des Mannesmann-Aufsichtsrats saß - bewertete "Ermessenstantiemen" ohne vorherige vertragliche Vereinbarung als zulässig. "Das Wirtschaftsleben" kenne solche Vergütungen, die über die Abfindung hinaus gingen.

Die Staatsanwaltschaft, deren Revision von der Bundesanwaltschaft vertreten wird, will eine Aufhebung der Freisprüche für alle sechs Angeklagten erreichen. Bundesanwalt Gerhard Altvater äußerte sich am Nachmittag vor Journalisten zuversichtlich. "Es sieht so aus, dass wir mit unserem Anliegen ganz gute Karten haben", sagte er.

In der Verhandlung betonte der Bundesanwalt, mit der Prämie für Esser sei das Gesellschaftsvermögen von Mannesmann "bewusst geschädigt" worden, ohne dass es dafür eine Gegenleistung gegeben habe. Die Zahlung habe nicht im Interesse der Mannesmann AG gelegen, sondern habe nur "der unmittelbaren Bereicherung" Essers gedient. Die Leistungen von Esser seien zudem bereits durch die vertraglich vereinbarte Abfindungszahlung in Höhe von ebenfalls rund 15 Millionen Euro "in vollem Umfang abgegolten" gewesen.

Das Urteil wird erst im Dezember gesprochen

Verteidiger Kempf wies den Vorwurf einer "Doppel-Bezahlung" zurück. Der Aufsichtsrat habe mit der Prämie eine "Gesamtbewertung" der Leistung Essers vorgenommen. Die Erfolgsprämie habe zwar "für die Zukunft nichts gebracht", räumte er ein. Sie habe aber die hohe Wertsteigerung ausgeglichen, die das Unternehmen vorher schon "einkassiert" habe.

Der Vorsitzende Richter des Strafsenats, Klaus Tolksdorf, hatte zu Beginn betont, dass es vor allem darum gehe, ob Prämien, für die es im Dienstvertrag keine Grundlagen gibt, im Nachhinein bewilligt werden dürfen. Er gab zu Bedenken, ob nicht immer dann eine Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht vorliege, wenn es "zum sicheren Verlust von Vermögensgegenständen" komme, ohne dass dieser Verlust wirtschaftlich angemessen ausgeglichen werde. Die Verhandlung wird möglicherweise am Freitag fortgesetzt. Der Bundesgerichtshof wird sein Urteil am 21. Dezember verkünden.

Einen Rückblick auf die Mannesmann-Übernahme finden Sie in einer weiteren News aus diesem Jahr.