Zertifizierung

Neue Standards ermöglichen Videokonferenzen trotz Firewall

ITU ratifiziert zwei neue Standards für visuelle Datenkommunikation
Von Björn Brodersen

Die Internationale Telecommunications Union (ITU) hat zwei neue Standards zertifiziert, die eines der größten Hindernisse für Videokonferenzen überwinden sollen. Die H.460.18 und H.460.19 bezeichneten Standards können in IP-Netzen Verbindungen über Unternehmen-Firewalls hinweg aufbauen und sollen bisherige Probleme von Videokonferenzlösungen, die auf dem übergeordneten Standard H.323 basieren, der für audio-visuelle Kommunikation in Netzwerken vorgesehen ist. An der Entwicklung der jetzt veröffentlichten Standards waren vor allem die Unternehmen Tandberg, RADvision [Link entfernt] und Polycom beteiligt.

H.323 kommt mit der NAT nicht klar

Das Problem beim bestehenden H.323-Standard ist, dass dieser mit dem oft eingesetzten NAT (Network Address Translation) bzw. Masquerading nicht klar kommt. Dabei werden innerhalb eines Firmen- oder Heimnetzwerkes private IP-Adressen (wie 192.168.x.y) benutzt, die bei der Übergabe in das Internet beispielsweise von einem DSL-Router in öffentliche IP-Adressen übersetzt werden. Meldet sich nun ein firmeninternes Videokonferenz-System bei einem Videokonferenz-Server im öffentlichen Internet an, meldet es sich mit den privaten IP-Adressen an. Will nun der Server einen Anruf zu dem Videokonferenz-System durchstellen, scheitert er, weil die IP-Adresse, mit der das System sich angemeldet hatte, aus dem öffentlichen Netz nicht erreichbar ist.

Tandberg teilt mit, dass die neuen Standards H.460.18 und H.460.19 die "Network Adress Translation beim visuellen Datenaustausch vereinheitlichen" sollen. H.460.18 dient dabei dazu, auf der Basis von H.323-Verbindungen mit anderen Endgeräten aufzubauen, selbst wenn sich diese hinter eine NAT-Firewall befinden. Genaue Details dazu teilt Tandberg nicht mit, wahrscheinlich geht es aber darum, die Richtung des eigentlichen H.323-Verbindungsaufbaus umzudrehen und eine Art "Vorratsverbindung" mit Keep-Alive-Paketen offen zu halten. H.460.19 ist hingegen eine Erweiterung von H.323, die es ermöglicht, den Mechanismus festzulegen, mit dem die NAT-Firewall durchtunnelt wird. Der eigentliche Mechanismus kann dann H.460.18 oder ein vergleichbarer Standard sein.

Videokonferenzen mit Kollegen bei der Heimarbeit

Grundlage für die neuen Standards war die Expressway-Technologie des norwegischen Anbieters von Produkten visueller Kommunikation und zugehöriger Dienstleistungen Tandberg. Mit Hilfe dieser Technologie können beispielsweise Unternehmen mit Kunden, Lieferanten und Mitarbeitern bei der Heimarbeit via Videokonferenz over IP kommunizieren. Bislang sei dies nur unternehmensintern möglich gewesen.

"Vor Expressway fanden Videokonferenzen meist nur innerhalb eines Unternehmens statt. Jetzt können auch externe Gesprächspartner wie Kunden oder Lieferanten eingebunden werden", sagt Andrew Miller, CEO von Tandberg. "Die Einführung der Standards läutet die Ära der weltweit unbeschränkten visuellen Kommunikation ein." Das Unternehmen will die geistigen Rechte, die die Grundlage der beiden Standards bilden, anderen Unternehmen auf Basis der Gegenseitigkeit zur Verfügung stellen. Als erster Videokonferenz-Hersteller bietet Tandberg bereits Produkte an, die die neuen Standards für die visuelle Datenkommunikation unterstützen.

Nach Angaben der ITU laufen bislang fast alle unternehmensinternen Videokonferenzen noch über ISDN, da oftmals das Wissen fehlt, die notwendigen Änderungen an NAT/Firewall-Geräten - also die Konfiguration am Netzwerkrouter oder des Servers - für den Aufbau von Videokonferenz-Verbindungen vorzunehmen. Die ITU entwickelt international anerkannte technische und betriebliche Standards für die reibungslose Zusammenarbeit in internationalen Kommunikationsnetzen.