Geld weg

Editorial: Nepp im Netz

Verbraucherfreundliche Urteile zu Premium-Diensten
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Die Verbraucherzentrale Hamburg hat jüngst ein verbraucherfreundliches Urteil erstritten: Demnach muss Vodafone fast 800 Euro für die Nutzung von Premium-SMS zurückerstatten. Eine Kundin war auf einen professionellen SMS-Chat-Anbieter reingefallen. Statt wie beworben Kontakt zu anderen Kontaktsuchenden herzustellen, ließ dieser die eingehenden Nachrichten von professionellen Animateuren beantworten. Vodafone musste sich vorhalten lassen, dass die beworbene und von der Kundin nachgefragte Leistung damit nicht erbracht worden war.

Der BGH hat jüngst sogar entschieden, dass für 0190- und 0900-Dienste gar kein Zahlungsanspruch entsteht, wenn ein Verbindungsnetzbetreiber oder Plattformbetreiber diese einklagt. Schließlich würde der Nutzer einen Vertrag mit dem Diensteanbieter schließen, nicht mit dem technisch zwischengeschalteten Netzbetreiber. Letzterer ist zwar Erfüllungsgehilfe des Diensteanbieters, aber eben nicht Vertragspartner des Nutzers. (Aktenzeichen III ZR 3/05)

Kehrtwende in der Urteilsfindung

Das BGH-Urteil ist sehr zu begrüßen. Wer in einer Gaststätte die Zeche nicht zahlt, wird ja auch nicht von der Brauerei verklagt, nur weil diese das Bier geliefert hat. Stattdessen muss der Wirt schon selber vor Gericht ziehen. Der Wirt kann zwar alternativ seine Forderung an ein anderes Unternehmen abtreten, welches auch die Brauerei sein könnte, so dass diese dann im Namen des Wirtes klagt. Wendet der Gast dann aber ein, dass das Essen schlecht war, und er deswegen Speise und Getränk zurückgehen ließ, dann kann die Brauerei nicht deswegen die Forderung durchsetzen, weil sie ihr Bier korrekt geliefert hat. Sie wird den Einwand des Kunden vor Gericht schon entkräften müssen, um ein Urteil zu ihren Gunsten zu erwirken. Gegebenenfalls muss der Wirt oder dessen Gehilfe (Koch oder Bedienpersonal) als Zeuge auftreten und glaubhaft aussagen, dass das Essen doch genießbar war.

Der BGH macht damit abermals deutlich, dass er eine Kehrtwende zu seinem Telefonsex-Urteil von 2001 genommen hat. Damals wurde die Herstellung von 0190-Verbindungen noch zum "wertneutralen Hilfsgeschäft" erklärt. Der Kunde musste für die hergestellte Verbindung immer zahlen, sogar dann, wenn der angebotene Dienst nachweislich illegal oder sittenwidrig war. Der Netzteiber musste sich nicht zurechnen lassen, was der Diensteanbieter so "treibt".

Das neue BGH-Urteil darf aber auch nicht überbewertet werden. Es ist sicherlich nicht zu erwarten, dass man künftig eine 0190- oder 0900-Forderung nur deswegen nicht zu begleichen braucht, weil diese vom technischen Dienstleister (Verbindungsnetzbetreiber oder Plattformbetreiber) abgerechnet wird. Denn der Diensteanbieter kann eine entsprechende Forderungsabtretung an eines der beteiligten Tk-Unternehmen oder dessen Inkasso-Unternehmen vornehmen. Diese ist auch sinnvoll, denn der Diensteanbieter wird sich kaum damit beschäftigen wollen, tausende kleine Euro-Beträge einzusammeln.

Chancen des Verbrauchers vor Gericht steigen

Widerspricht der Endkunde der "Abbuchung" der Entgelte von seiner Telefonrechnung, kann das Unternehmen, an das die Forderung abgetreten wurde, auf Zahlung klagen. Damit es vor Gericht recht bekommt, muss es aber auch nachweisen, dass der Dienst selber korrekt erbracht wurde. Dazu werden im Zweifelsfall Zeugen vom Diensteanbieter benötigt werden. Besonders in denjenigen Fällen, in denen die Beteiligten ein kompliziertes Firmengeflecht aus Netzbetreiber, Plattformbetreiber, Diensteanbieter, Inhalteanbieter, Werbepartner usw. aufgebaut haben, das überwiegend auf berühmt-berüchtigten Inseln residiert, steigen damit die Chancen des Verbrauchers vor Gericht dramatisch. Im Zweifelsfall landet bei solchen Konstrukten die gerichtliche Ladung an den Diensteanbieter, um als Zeuge auszusagen, in einem Briefkasten in der Südsee, wo sie einfach ignoriert wird. Das Gericht wird somit der einzigen anderen Person, die vom Inhalt der Mehrwertverbindung Kenntnis haben darf, glauben schenken müssen: Dem Kunden.

Ob mit den neuen Regelungen unseriöse Anbieter zunehmend aussterben, liegt nun bei den Kunden. Denn nur dann, wenn genügend geneppte Nutzer den Rechnungen widersprechen, summieren sich die Rückforderungen auf ausreichend hohe Beträge, um den beteiligten Anschluss- und Verbindungsnetzbetreibern die Lust zu verderben, so dass diese den Inkassogeldhahn zudrehen und/oder den Dienst abklemmen.