Lego-Prinzip

Editorial: Baukastenfehler bei Siemens

oder: Die Kunden sind konservativ
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Sie sind derzeit in vielen Medien zu vernehmen: Die Meldungen über die schlechten Zahlen in der Handysparte von Siemens. Dabei sind die Geräte von Siemens gar nicht so schlecht. Die Ausstattung ist vergleichsweise umfangreich. So bietet schon das derzeit als Einsteigergerät verkaufte MC 60 Triband-Versorgung und CIF-Kamera. Das S65 mit Bluetooth und Megapixel-Kamera gibt es bei mehreren Netzbetreibern zusammen mit Vertrag für (fast) null Euro - deutlich günstiger, als viele vergleichbar ausgestattete Geräte anderer Hersteller. Benutzer berichten zudem, dass die Kamera zumindest bei guten Lichtverhältnissen auch vergleichsweise schöne Bilder liefert.

Die Fehler von Siemens liegen woanders: Bei der Entwicklung der letzten Handy-Serien wurde zu sehr nach dem Baukasten-Prinzip vorgegangen. Alle "55er" waren klein und rundlich, egal ob "S", "C", "A" oder "SL". Hingegen sind die meisten "65er" groß und kantig, mit dominierendem Display. Die Folge: Nutzer, die beispielsweise das S55 gemocht haben, und jetzt wieder ein kleines, schickes Business-Handy suchen, finden bei Siemens keinen passenden Nachfolger.

Fehler bei der Markteinschätzung

Hinzu kommen Fehler bei der Markteinschätzung. Den UMTS-Start hat Siemens bei den Endgeräten schlicht verschlafen. Zwar war es sinnvoll, das U15 nicht komplett selber zu entwickeln, sondern hier mit Motorola zu kooperieren. Jedoch fehlt ein Nachfolgegerät. Und so machen andere Handyhersteller das Geschäft mit den UMTS-Geräten, die derzeit vor allem Vodafone hochsubventioniert verkauft.

In den Medien wird immer wieder lanciert, dass die Handysparte von Siemens mit einem Hersteller aus Fernost kooperieren sollte. Unklar ist jedoch, welche Vorteile hieraus erwachsen sollen. So liegt Sony Ericsson trotz der Kooperation zweier Weltmarken und großer Absatzsteigerung im letzten Jahr bei den verkauften Stückzahlen weiterhin deutlich hinter Siemens. Sicherlich ließen sich durch eine Kooperation mit einer Billigmarke aus Fernost die Entwicklungskosten deutlich senken. Werden die Geräte jedoch weiter unter der Marke "Siemens" verkauft, könnten sich eventuelle Qualitätsprobleme bei den neuen Billig-Handys auch auf das Ansehen der Marke allgemein auswirken. Die Kosten dafür wären noch höher als die derzeitigen Verluste der Mobilfunksparte. Derselbe Imageverlust droht auch bei einer ersatzlosen Schließung.

So bleibt Siemens vor allem die Option, die Probleme aus eigener Kraft zu lösen. Produktmanager, die mangelndes Gespür für den Markt gezeigt haben, gehören dabei ebenso ausgewechselt, wie Entwickler, die ihre Termine wiederholt nicht halten konnten oder fehlerhafte Versionen freigegeben haben. Die schwierige Aufgabe - die der neue Chef hoffentlich mit Bravour löst - ist es jedoch, herauszufinden, welche Mitarbeiter wirklich an dem derzeitigen Dilemma schuld sind. Kündigt man dem falschen, geht es natürlich noch weiter bergab.