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Bayerisches Kabinett beschließt mehr Telefonüberwachung

Geschützte Berufe sind von der Telefonüberwachung ausgenommen
Von dpa / Björn Brodersen

Die bayerische Staatsregierung will die Überwachung von Telefonen und Wohnungen ausweiten. Künftig soll die Polizei zur Bekämpfung von Terrorismus und Schwerverbrechen Telefone, Handys, Faxgeräte und E-Mails vorbeugend anzapfen können, auch ohne dass die Staatsanwaltschaft wegen einer Straftat ermittelt. Das Kabinett unter Leitung von Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) stimmte dem Gesetzentwurf heute zu, wie die Staatskanzlei mitteilte. Bevor das Gesetz in Kraft tritt, muss der Landtag es noch verabschieden.

"Terroristen, Kinderpornohändler, grenzüberschreitend organisierte Band und Menschenhändler planen ihre Taten via Telefon, E-Mail und in konspirativen Wohnungen", sagte Innenminister Günther Beckstein (CSU). Im Notfall sollen die Ermittler nicht nur lauschen, sondern auch eine Verbindung kappen - etwa zur Verhinderung einer unmittelbar bevorstehenden Geiselnahme oder Bombenexplosion.

Zweiter Vorstoß der CSU mit mehr Beschränkungen

Die CSU nimmt damit zum zweiten Mal innerhalb seit vergangenem Jahr einen Anlauf zur Ausweitung der Telefonüberwachung. Der erste Versuch unter Regie der Landtagsfraktion scheiterte 2003 an heftigem Widerstand. Ursprünglich wollte die CSU nämlich auch die so genannten geschützten Berufsgruppen abhören lassen - Anwälte, Ärzte, Priester und Journalisten.

Nun soll es mehr Beschränkungen geben als ursprünglich geplant. Im neuen Entwurf sind die geschützten Berufe wieder von der Telefonüberwachung ausgenommen. "Der Beichtstuhl, die Arztpraxis und das Anwaltsbüro bleiben auch künftig tabu", sagte Beckstein. Außerdem bleiben so genannte "Vertrauensverhältnisse" geschützt. Tauscht etwa ein Gangster mit seiner Ehefrau Liebesschwüre aus, die nichts mit einem Verbrechen zu tun haben, muss die Polizei abschalten. Das Gesetz soll den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe Genüge tun.

Die Telefonüberwachung soll außerdem künftig erlaubt sein, um Hilfseinsätze bei Unfällen, oder Selbstmordankündigungen zu erleichtern. So könnte die Polizei etwa vermisste Bergwanderer über ihr Handy orten. Ebenfalls geregelt werden soll mit der Änderung des Polizeiaufgabengesetzes die automatische Videoüberwachung von Autokennzeichen.

eco warnt vor "großem Lauschangriff"

Der Verband der deutschen Internetwirtschaft (eco) warnt schon seit Längerem vor einem "großen Lauschangriff". Hintergrund ist hier ein neuer Entwurf der Telekommunikations-Überwachungsverordnung (TKÜV) aus dem Wirtschaftsministerium, der staatlichen Stellen Zugang zu sämtlichen Telekommunikations-Kennungen der in Deutschland lebenden Bevölkerung erzwingen will. Ziel wäre laut eco der "gläserne Telekommunikations-Bürger", der auf allen technischen Kontaktwegen - Internet, Handy, Funk, WLAN - abgehört werden kann. Auf die Anbieter könnten dadurch zusätzliche Investitionen in Millionenhöhe zur Aufrüstung ihrer Abhörkapazitäten zukommen.