Feldversuch

Siemens: Mobile Datenübertragung mit 360 MBit/s

Kombination von Techniken für schnelleres Übertragen von Multimedia-Daten
Von Björn Brodersen

In einem Feldversuch von Siemens mobile in München haben Forscher Videos und Musik sowie eine Konferenz via Microsoft Netmeeting mit Datenraten von bis zu 360 MBit/s über eine drahtlose Internetverbindung übertragen. Diese Geschwindigkeit ist mehr als hundert Mal höher als die Datenübertragungsrate des schnellsten zurzeit verfügbaren asymmetrischen T-DSL-Anschlusses. Erreicht wurde die Geschwindigkeit durch eine Kombination der Übertragungstechnik Orthogonal Frequency Division Multiplexing (OFDM) mit der so genannten Multi-Hop-Technologie, einem neuen Infrastruktur-Konzept.

Signale werden über mehrere Basisstationen verstärkt

Bei der Übertragung von Datenraten im Hundert-Megabit-Bereich müssen Bauwerke und natürliche Hindernisse umgangen werden, denn die Trägerfrequenzen wandern dabei in den Gigahertz-Bereich und die Frequenzbänder werden immer breiter. Dafür, dass die Datensignale auch überall ankommen, sollen drahtlose, fest installierte Multi-Hop-Stationen sorgen, die eine Mischung aus Basisstation, Repeater und Router darstellen. Sie erhöhen nach Angaben von Siemens den Funkabdeckungsbereich, indem sie die Signale von Zelle zu Zelle auch um die Hindernisse herum bis zum Endgerät weiterreichen, wenn die Verbindung zwischen der Basisstation und dem Mobilgerät gestört ist. Die Signale werden also über mehrere Basisstationen verstärkt.

Die Übertragungstechnik OFDM dagegen soll die hochfrequenten Signale unempfindlicher gegenüber Störungen machen und typische Probleme einer breitbandigen, drahtlosen Übertragung mit Mehrwegeausbreitung lösen. Beim orthogonalen Frequenzmultiplexing, einem besonderen nachrichtentechnischen Verfahren, werden laut Siemens die Signale auf verschiedene, eng benachbarte Trägerfrequenzen verteilt und durch ein so genanntes Schutzintervall im Zeitbereich ergänzt. Dadurch soll die Signalfolge so wirksam wie möglich gegen die Einflüsse von Echos und Mehrwegeempfang geschützt werden. Multiplex-Verfahren beschreiben, wie ein Übertragungsmedium mehrfach, zum Beispiel von mehreren Anwendern gleichzeitig, genutzt werden kann.

UMTS nur eine Übertragungstechnik des Übergangs?

OFDM gilt als der heißeste Kandidat für die Nachfolge des Mobilfunkstandards UMTS und wird auch als die vierte Generation des Mobilfunks bezeichnet. Hauptunterschied zu UMTS: OFDM nutzt nicht eine breitbandige Trägerfrequenz, sondern mehrere schmalbandige. Nimmt ein Nutzer - etwa bei einem reinen Mobilfunktelefonat - weniger Datenraten in Anspruch, bekommt er eine entsprechende Bandbreite zugeteilt. Bei Internetzugängen über die WLAN-Technologie wird OFDM bereits genutzt und ermöglicht dort Übertragungsraten von 54 MBit/s. Der 4G-Standard kann den Mobilfunkanbietern dabei helfen, Kaufanreize für UMTS zu schaffen. Nach Meinung von Brancheninsidern hat UMTS nicht genug Bandbreite, um die massenhafte Nutzung von Multimedia-Anwendungen wie beispielsweise auch Videotelefonie zu erlauben.

Bis das neue, von Siemens mobile getestete System allerdings wirklich eingesetzt werden kann, wird noch einige Zeit vergehen: "Wie in der Informationstechnologie, so wird auch in der Funktechnologie die Übertragungsgeschwindigkeit automatisch exponentiell steigen. Es ist davon auszugehen, dass Mobilfunksysteme mit Datenraten von über 100 MBit/s in ungefähr zehn Jahren Standard sein werden", sagte Christoph Caselitz, Leiter des Geschäftsgebiets Networks bei Siemens mobile.