Kleinaktionäre

Telekom-Schadensersatzklagen: Kein Land in Sicht

Telekom lässt Vergleichverhandlungen regelmäßig platzen
Von dpa / Marie-Anne Winter

Der vorerst letzte Schriftsatz im größten Wirtschaftsprozess Deutschlands wog gute acht Tonnen und wurde per Lastwagen angeliefert. Mit dem Papierwust hat die Kanzlei Clifford Chance Pünder im Auftrag der Deutschen Telekom AG die Begehrlichkeiten von mehr als 15 000 enttäuschten Kleinaktionären zurückgewiesen, die vor dem Frankfurter Landgericht auf Schadenersatz geklagt haben. An diesem Mittwoch (26. Mai) ist die Verjährungsfrist genau ein Jahr lang abgelaufen. Passiert ist seitdem so gut wie nichts, monieren Anlegerschützer.

Die Prozessbeteiligten sehen bislang kein Land im Meer der Klagen um den dritten Telekom-Börsengang aus dem Juni 2000, der immerhin 15 Milliarden Euro in die Kassen des Bundes gespült hat. Die Kleinaktionäre fühlen sich getäuscht über den wahren Wert der Telekom-Immobilien und halten dem Bonner Unternehmen vor, bereits weit fortgeschrittene Zukäufe verschwiegen zu haben - insbesondere den der US-Firma Voicestream. Die Telekom pocht hingegen auf die Korrektheit ihres Börsenprospektes und der so genannten Eröffnungsbilanz aus dem Jahr 1995. Unstrittige Fakten sind nur, dass der Immobilienwert später nach unten korrigiert wurde und der Kurs seit der 2000er-Emission massiv verfallen ist, von 66,50 Euro (für Privatanleger 63,50 Euro) auf heute noch rund 13,50 Euro, ein mageres Fünftel

Mammut-Verfahren verschleißt Personal

Meinhard Wösthoff ist bereits der dritte Richter am Börsenplatz, der sich an dem Mammut-Verfahren mit einem geschätzten Streitwert von 100 Millionen Euro abarbeitet. Notgedrungen muss der Jurist versuchen, sich einige besonders typische Fälle herauszupicken. Dafür ist er auf das Einvernehmen der Beteiligten angewiesen, denn im deutschen Recht sind keine Sammelklagen vorgesehen. Die Klagen sind sehr vielfältig, berichtet Diane Hilty von der Wiesbadener Kanzlei Doerr & Partner, die rund 5 800 Anteilseigner vertritt. Verklagt werden abwechselnd oder auch gemeinsam die Telekom, die Bundesrepublik und deren KfW Bankengruppe.

Das Zivilverfahren droht zumindest die 7. Kammer für Handelssachen lahmzulegen. "Andere Sachen haben die gleiche Priorität", sagt Landgerichtssprecher Stefan Möller zu Wünschen nach einer besseren Ausstattung der zuständigen Geschäftsstelle, in der sämtliches Schriftgut verwaltet, nummeriert und abgeheftet werden muss.

Von der strafrechtlichen Seite kann der Frankfurter Richter nur wenig Aufklärung erwarten, glaubt Jürgen Kurz von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) in Düsseldorf. Bislang ohne Ergebnisse ermittelt die Bonner Staatsanwaltschaft bereits seit Jahren wegen des Verdachts der Falschbilanzierung gegen die Telekom. "Die Staatsanwaltschaft kommt einfach nicht rüber", schimpft Kurz und vermutet, dass dies auch so bleiben wird.

Weitere Klagewellen zu erwarten

Der jüngste Vorschlag der Strafverfolger wurde von der Telekom jedenfalls postwendend abgelehnt: Gegen eine Zahlung von 20 Millionen Euro in einen Entschädigungsfonds wollten die Staatsanwälte das Verfahren einstellen. "Ein solcher Betrag ist für das Unternehmen nicht zu rechtfertigen", hieß es dazu vom Vorstand auf der jüngsten Telekom-Hauptversammlung. Diese Lösung hätte zudem Ärger mit den nichtklagenden Aktionären eingebracht, die wohl kaum zu Gunsten der Kläger auf Gewinne verzichten wollen. Bei der Staatsanwaltschaft wird nun nachgedacht über ein angeblich 17 Millionen Euro teures Gutachten zum wahren Wert der Telekom-Immobilien im Jahr 1995.

Eine weitere Klagewelle rollt aus dem hohen Norden heran: Bei der Öffentlichen Rechtsauskunft- und Vergleichsstelle (ÖRA) der Stadt Hamburg haben rund 14 000 Telekom-Aktionäre so genannte Güteanträge eingereicht, um die Verjährungsfrist zu unterbrechen. Die Telekom, berichtet die DSW, lässt die seit Januar laufenden Vergleichsverhandlungen regelmäßig scheitern, so dass den Aktionären außer der Aufgabe nur der Weg der Klage bleibt - am Börsenplatz Frankfurt, bei Richter Wösthoff.