Urteil

Antennen für das Allgemeinwohl

Stadt muss Bebauungsplan zugunsten flächendeckender Versorgung mit Mobilfunk ändern
Von Marie-Anne Winter

Was dem Allgemeinwohl zuträglich ist und was nicht, wird zumeist höchst unterschiedlich bewertet. Die flächendeckende Versorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen, genauer: mit mobilen Telefondienstleistungen kann einen Grund des Allgemeinwohls darstellen. Dies entschied das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz [Link entfernt] in Koblenz in einem gestern verkündeten Urteil (AZ: 1 A 10196/03.OVG). Darin wurde festgestellt, dass eben dieses Allgemeinwohl die Befreiung von den Festsetzungen eines Bebauungsplanes erfordere und damit zur Genehmigung einer Mobilfunkanlage führe.

Die beklagte Stadt hatte die Nutzung einer Mobilfunkanlage untersagt, die die Klägerin, ein Mobilfunkbetreiber, auf einem als Altenwohnheim genutzten Hochhaus errichtet hatte. Den Antrag der Klägerin, die Anlage zu genehmigen, lehnte sie unter Hinweis auf die Festsetzungen des bestehenden Bebauungsplanes ab. Eine Befreiung wurde nicht erteilt. Wie schon das Verwaltungsgericht zuvor gab jetzt auch in der Berufungsinstanz das Oberverwaltungsgericht der Klägerin Recht.

Die Klägerin habe einen Anspruch auf die Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes, weil Gründe des Allgemeinwohls, nämlich die flächendeckende Versorgung mit Mobilfunk, diese Befreiung erforderten. Die beklagte Stadt habe hier auch keinen Ermessensspielraum, weil gewichtige Belange fehlten, die gegen eine Befreiung sprächen, urteilten die Richter.

Das von der Beklagten entwickelte Alternativkonzept für Standorte von Mobilfunkanlagen erlaube keine andere Beurteilung. Spannend ist die Begründung: Zum einen sei nicht sicher, ob die Alternativstandorte eine vergleichbare Versorgung gewährleisten könnten. Zum anderen sei das Konzept ausschließlich vom Willen geprägt, entgegen rechtlicher Regelungen weitergehende Sicherheitsabstände zu fordern, um damit in der Bevölkerung verbreiteten, aber wissenschaftlich derzeit nicht beweisbaren Befürchtungen entgegen zu wirken. Solche objektiv nicht begründbaren Ängste könnten es nicht rechtfertigen, die Erfüllung des im öffentlichen Interesse liegenden Versorgungsauftrags der Mobilfunkbetreiber wesentlich zu erschweren.

Das dürften zahlreiche Initiativen, die sich gegen den Ausbau des Mobilfunks engagieren, anders sehen. Ob objektiv begründbar oder nicht, die Ängste vor möglichen Beeinträchtigungen der Gesundheit sind in der Bevölkerung vorhanden, was auch die lebhafte Diskussion um den gestrigen Fernsehbeitrag über mögliche Risiken durch Mobilfunk wieder gezeigt hat.