Anti-Spam

Anti-Spam Gesetze in den USA

Zwischen Bürger- und Unternehmensinteressen; die Beispiele Virginia und Washington
Von Thomas Wischniewski

Der Gouverneur des US-Bundesstaates Virginia, Mark R. Warner, will mit drastischen Maßnahmen [Link entfernt] gegen unerwünschte Werbemails (Spam) vorgehen - mit dem bis heute wohl härtesten gesetzlichen Vorgehen gegen Spam. Weniger drakonisch fällt die Gesetzgebung im US-Bundesstaat Washington aus, dennoch formiert sich hier ebenso wie in Virginia Widerstand. Denn offensichtlich scheinen zwei Branchenriesen die Gesetzestexte mitgeschrieben zu haben: in Virginia AOL, in Washington Microsoft.

Mit Spam wird bekanntlich die moderne Variante der Postwurfsendung bezeichnet. Das Herunterladen, Aussortieren und Löschen der Spams ist für die meisten User ein permanentes Ärgernis und mit Zeit und Kosten verbunden. Laut einer Studie [Link entfernt] von Symantec und der Zeitschrift Chip zum Thema Spam fühlt sich in Deutschland jeder Vierte der 8 000 befragten E-Mail-Benutzer von unerwünschten Werbemails belästigt. Aber nicht nur private Nutzer, auch für die Wirtschaft sind die unerwünschten Werbebotschaften mit zeitaufwendigen Löschaktionen verbunden. Alleine in den USA sollen Spams Unternehmen jährlich mehr als zehn Milliarden Dollar Kosten verursachen, wie kürzlich eine Umfrage des Software-Spezialisten SurfControl ergab.

Neue Qualität in der Gesetzgebung

Wohl nicht zuletzt deswegen hat man sich im US-Bundesstaaat Virginia jüngst zu einem rigiden Vorgehen gegen Spam entschlossen, das weltweit so bis jetzt beispiellos sein dürfte. Einzig in Virginia, bezeichnenderweise der Hauptsitz von America Online (AOL), kann außerhalb der zivilrechtlichen Klage jetzt auch strafrechtlich gegen Spammer vorgegangen werden.

Spam-Versendungen, die unter Gouverneur Warners "Anti-Spam-Bill" fallen, können die Beschlagnahmung des Vermögens und allen relevanten Computer-Equipments des Versenders nach sich ziehen. Sogar eine ein bis fünfjährige Haftstrafe wird angedroht. Voraussetzung dafür ist, dass mehr als 10 000 Kopien einer Mail innerhalb von 24 Stunden oder mehr als 100 000 Kopien innerhalb von 30 Tagen verschickt werden. Ebenso verboten: Tools, die Mails automatisiert verschicken sowie die Verschleierung der Absenderadresse und des Service-Providers, über den die Mails abgesetzt wurden.

Daneben setzt das Gesetz auch auf ein monetäres Kriterium: Wer mehr als 1 000 Dollar binnen Tagesfrist mit einer Spam-Versendung verdient oder innerhalb von 30 Tagen 50 000 Dollar durch Spam einnimmt, kann strafrechtlich verfolgt werden - mit den genannten Konsequenzen.

Die neuen Regelungen werden schnell Wirkung zeigen, glaubt Gouverneur Warner. Die Strafverfolgungsbehörden des Bundesstaates hätten jetzt die Möglichkeit, Verstöße gegen das Gesetz über die Staatsgrenzen hinweg zu ahnden.

AOL vs. Bürgerrechtler

Kein Wunder also, dass AOL das neue Gesetzt freudig begrüßt. Schließlich hat der Provider aufgrund der bislang bestehenden Gesetze in Virginia bereits 40 Prozesse geführt, konnte aber außer einer zivilrechtlichen Entschädigung für entstandene Verluste durch das Aussenden der Mails keinen Spammer strafrechtlich verfolgen lassen - die Abschreckung war anscheinend entsprechend gering. Das dürfte sich nun grundlegend geändert haben.

So verständlich die Begrüßung der Gesetzte durch AOL ist, so selbstverständlich ist es in den USA auch, dass sich Bürgerrechtsgruppen finden, welche diese "Anti-Spam-Bill" als problematisch und verfassungswidrig einschätzen. Dazu zählt etwa die "American Civil Liberties Union" (ACLU). Dort sieht man Spam gedeckt durch das Recht auf freie Meinungsäußerung, eine der heiligen Kühe der US-Verfassung. Da dieses Recht auch für die Wirtschaft (hier die Spam-Werbetreibenden) gelte, will die ACLU das Gesetz zu Fall bringen. Zudem gebe es kein zwingendes Staatsinteresse, um die Art und Weise, wie E-Mails verschickt werden, zu beschränken.

Unbestritten problematisch an dem nun in Virginia Gesetz gewordenen Mengenlimit ist, dass es nicht nur für kommerzielle Spammer, sondern auch für Privatpersonen und Organisationen wie Kirchen, politische Parteien oder Vereine gilt. Manche Mailing-List dürfte vor dem Aus stehen.

Zudem bekam AOL auch ohne verschärfte Gesetzestexte bereits Ende 2002 bei einer rechtlichen Auseinandersetzung mit einem kommerziellen Spam-Versender von einem Gericht in Virginia Schadensersatz in Höhe von sieben Millionen US-Dollar zugesprochen. Die Werbefirma CN Productions hatte damals trotz einer entsprechenden gerichtlichen Unterlassungsverfügung von 1999 die Versendung von unerwünschten Massenmails an AOL User nicht eingestellt, sondern lediglich die Aussendung verschleiert. Offensichtlich war diese Sanktion den AOL-Managern jedoch nicht scharf genug. Die neue Anti-Spam-Bill soll potentielle Versender nun mit Androhung von Gefängnisstrafen bis zu fünf Jahren abschrecken.

Der Washingtoner Weg

Einen anderen Weg beschreitet der Gesetzgeber im US-Bundesstaat Washington, der Heimat des Software-Multis Microsoft. Dort sollen bestehende Anti-Spam-Gesetze dahin gehend geändert werden, dass Versender kommerzieller E-Mail-Werbung künftig eine ADV:-Kennzeichnung (Abkürzung für Advertisement = Werbung) in die Betreffzeile einfügen müssen. E-Mail-Empfänger sollen dadurch Spams leichter filtern können. Zuwiderhandlungen würden mit einer Strafe von mindestens zehn US-Dollar je Mail geahndet. Die Höchstgrenze soll bei 25 000 US-Dollar pro Tag liegen. Von Gefängnis ist allerdings keine Rede.

Verbraucherschützer laufen Sturm

Verbraucherschützer laufen gegen dieses Vorgehen Sturm. Im Zuge der Gesetzesnovellierung sollen nämlich bedeutende Ausnahmen gemacht werden: Firmen, die in geschäftlicher Beziehung zu einem E-Mail-Empfänger stehen, sollen ihre Spams nicht als solche kennzeichnen müssen. Internet Service Provider sollen ganz von einer Regresspflicht ausgenommen werden, wenn ihre Server Spams übertragen.

Die Tageszeitung "Seattle Times" vermutet, dass Microsoft beim Entwurf der neuen Bestimmungen seine Finger im Spiel hatte. Schließlich ist der Firmensitz Redmond in Washington ansässig.

Die Zusammenhänge zwischen Gesetzgebung und der Microsoft-Lobby scheinen tatsächlich allzu offensichtlich. Da Microsoft einer der größten Internet-Provider weltweit ist, haben die Redmonder ein enormes Interesse daran, nicht für die Werbe-Mails anderer zur Verantwortung gezogen zu werden, so Paul Queary von der Seattle Times.

Außerdem steht Microsoft mit fast jedem Computer-Nutzer der Welt in einem geschäftlichen Verhältnis, da auf den meisten Rechner irgendein Microsoft-Produkt installiert ist. Microsoft-Mitarbeiter könnten künftig also nach Gutdünken ungekennzeichnete Werbe-Mails verschicken, während mit "ADV:" versehene Mails anderer Unternehmen sofort ungelesen durch Filter-Software auf Seiten der Empfänger im digitalen Nirvana verschwänden. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt....