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Editorial: Hürdenlauf Pre-Selection

Gelungener Start im Ortsnetz gefährdet
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Seit gestern kann man in Deutschland eine feste Voreinstellung auf einen bestimmten Wettbewerber der Deutschen Telekom auch bei Ortsgesprächen nutzen. Das mit dem Fachwort Pre-Selection bezeichnete Verfahren erleichtert die Nutzung von Sparvorwahlen, es entfällt nämlich die Eingabe der Vor-Vorwahl vor jedem Gespräch. Schon seit 1998 kann Pre-Selection bei Fern- und Auslandsgesprächen genutzt werden. Fast fünf Millionen Bürger haben seitdem einen Vertrag bei einem alternativen Anbieter unterschrieben.

Ortsgespräche können seit 25. April bereits im Call-by-Call-Verfahren geführt werden. Gab es seinerzeit zum Start ein großes Medienecho und konnte so fast jeder zweite Deutsche zum Ausprobieren der neuen Sparmöglichkeiten bewegt werden, ist es um die Einführung von Pre-Selection im Ortsnetz ziemlich ruhig geblieben. Der große Run der Kunden bleibt aus, bis heute können gerade einmal einige Tausend Haushalte in ganz Deutschland ihre Ortsgespräche ohne das Tippen einer Vor-Vorwahl über einen Wettbewerber der Telekom führen. Wo liegen die Gründe dafür?

Gründe für den verhaltenen Start von Pre-Selection im Ortsnetz

Während bei Fern- und Auslandsgesprächen eine große Zahl Pre-Selection-Anbieter um die Gunst der Kunden buhlen, sind es bei Ortsgesprächen bis jetzt gerade einmal eine gute Handvoll Unternehmen. Neben den großen Market-Players Arcor, Tele2 und 01051 Telecom haben auch bereits einige Nischenanbieter wie 3U Telecom, Comnet und Teldafax Newline ihre Produktpalette um Ortsgespräche erweitert. Einige weitere Unternehmen haben ihren Start für die kommenden Tage bzw. im Laufe des Sommers angekündigt. Angesichts der geringen Wahlmöglichkeiten warten derzeit viele Kunden noch ab.

Der Pre-Selection-Vertrag eines Kunden mit einem Konkurrenzanbieter muss von der Deutschen Telekom ins Telefonnetz einprogrammiert werden. Diese Arbeiten haben leider erst am gestrigen Mittwoch begonnen. Seitdem werden pro Tag etwa 15 000 Verträge bearbeitet. Sicherlich kann man der Deutschen Telekom bewusste Verzögerungen unterstellen, so wie dies die Wettbewerber Arcor und Tele2 in den letzten Tagen auch mehrfach getan haben. Allerdings müssen sich die beiden Unternehmen auch fragen lassen, welche Anstrengungen, sei es im direkten Kontakt mit der Telekom oder über den Regulierer oder ordentliche Gerichte, sie in der Vergangenheit unternommen haben, so dass es nicht zu diesen für ihre Kunden höchst unzufriedenstellenden Verzögerungen hätte kommen müssen. Beide Unternehmen haben freilich heute gegenüber teltarif.de bestätigt, in den kommenden Tagen das Freischaltungsprocedere sehr genau zu beobachten und danach alle Hebel in Bewegung zu setzen, dass es zu einer raschen Freischaltung aller vorliegenden Aufträge kommen wird. Derzeit sei es allerdings noch zu früh, hier konkrete Schritte anzukündigen, so Roman Schwarz, Vize-Präsident von Tele2.

Teilweise ist die Zurückhaltung der Kunden zur Pre-Selection allerdings auch von den Anbietern hausgemacht. Intransparente Preise und zahlreiche Vertrags- und AGB-Klippen tragen hier sicherlich nicht zu einer weiteren Verbreitung der festen Voreinstellung in Deutschland bei. So werben aktuell 01051 und Tele2 mit sogenannten Einführungstarifen bei Ortsgesprächen nicht nur um Call-by-Call-, sondern auch um Pre-Selection-Kunden. Tele2 begrenzt das Einführungsangebot ausdrücklich auf den Zeitraum bis zum 31. Juli, bei 01051 gilt es "bis zur nächsten Änderung". Leider werden nach den derzeitigen Prognosen allerdings nur wenige Kunden bis Ende Juli von den Tarifen im Pre-Selection-Verfahren profitieren können, da die meisten Anträge bis dahin noch nicht bearbeitet worden sind. Wie das Preisgefüge danach aussieht oder ob die Sondertarife nochmals verlängert werden, geht aus den Preisangaben in der Werbung oder auf der Homepage der Anbieter nicht hervor.

Ebenso muss man für die Schaltung der Pre-Selection eine Wechselgebühr in Höhe von 5,11 Euro an die Deutsche Telekom bezahlen. In aller Regel werden diese Kosten vom Anbieter auf der ersten Rechnung übernommen oder durch andere Gratisleistungen oder Vergünstigungen wieder erstattet. Dieses Faktum wird allerdings von kaum einem Anbieter vor Abschluss des Vertragsprocedere deutlich benannt, in einigen Fällen sucht man Hinweise im gesamten Anmeldeprozess vergebens.

Zahlreiche Unternehmen forderen ihre Kunden zudem auf, "komplett", d. h. für alle Orts-, Fern- und Auslandsgespräche, zum neuen Anbieter zu wechseln, so etwa 3U Telecom. Technisch ist es aufgrund der Vorarbeiten des Regulierers möglich, eine getrennte Pre-Selection für Ortsgespräche und für alle weiteren Verbindungen schalten zu lassen. Rechtlich sind die Unternehmen dazu allerdings nicht verpflichtet. Auf Anfrage von teltarif erklärte beispielsweise 01019 Telefondienste, dass sie Kunden auch nur für Ortsgespräche freischalten werden.

Leider fallen einige Anbieter auch durch Mondpreise für Ortsverbindungen auf. So kosten Ortsverbindungen beispielsweise im Privat-Tarif von 01019 am Wochenende tagsüber das Dreifache des billigsten Wettbewerbers und immer noch knapp doppelt so viel wie beim Standardtarif der Deutschen Telekom. Auch im Vergleich zu den gültigen Call-by-Call-Tarifen von 01019 sind die Pre-Selection-Tarife in der Spitze mehr als doppelt so teuer. Somit ist es kein Wunder, dass viele hier beim allseits beliebten Call-by-Call bleiben und vor einer festen Vertragsbindung mit einem bestimmten Anbieter zurückschrecken.

Fazit: Schnelle Nachbesserungen nötig

Um zukünftig Pre-Selection zu einem größeren Erfolg in Deutschland zu machen, sind noch etliche Verbesserungen notwendig. Einerseits geht es dabei sicherlich noch um weitere Optimierungen in den angebotenen Produkten, so dass diese das wirkliche Kundeninteresse besser abbilden und klarer die vertraglichen Rahmenbedingungen kommunizieren. Zum anderen muss der aktuell anhaltende Auftragsstau schneller als bislang von allen Marktteilnehmern genannt abgearbeitet werden, da letztendlich niemand nachvollziehen kann, dass die Veränderung eines Parameters im eigenen Kundendatensatz mehrere Monate dauern soll. Hier sind alle Marktteilnehmer, also Telekom, Wettbewerber und Regulierer, gleichermaßen gefordert, zu einer kundenfreundlichen Lösung zu kommen. Die von einigen geforderte Zwangsfreischaltung aller bestehenden Pre-Selection-Verträge für das Ortsnetz nach dem sogenannten "holländischen Modell" kann allerdings auch nicht die Lösung aller Probleme sein, da man als Kunden sehr wohl die aktive Entscheidung über die eigenen Vertragsbeziehungen behalten will.