hoffen und bangen

Die CeBIT als Workshop fürs Top-Management

Die Messe wird als Impulsgeber gebraucht
Von dpa / Marie-Anne Winter

Die Macher der weltgrößten Computermesse CeBIT geben sich entschlossen. "Ein Auftritt ist in diesem Jahr so wichtig, weil jetzt die Zeit ist zu kämpfen. Wenn nicht jetzt, wann dann?", fragt Ernst Raue von der Deutschen Messe AG. Er und auch Menno Harms, Vizepräsident vom Branchenverband BITKOM, sprechen von Spannung in der Branche. Allerdings ist die in diesem Jahr ganz anders als zu Zeiten des Wachstum mit zweistelligen Raten vor drei, vier Jahren. Die weltweite Konjunkturflaute hat auch die ansonsten so rosige Industrie rund um die Informationstechnologie auf den harten Boden zurück gezogen. In Deutschland wachsen die Bäume nicht mehr in den Himmel - sie wachsen fast gar nicht mehr. Beim Marktwachstum trägt Deutschland in Europa die rote Laterne, Besserung wird frühstens 2004 erwartet.

Die CeBIT in Hannover ist und bleibt für die Branche der Hoffnungsschimmer - auch wenn sie mit rund 6 500 Ausstellern aus 69 Ländern fast 20 Prozent kleiner ist als 2002. "Die CeBIT ist immer ein einzigartiger Impulsgeber für Innovationen und Investitionen", sagte der zweite BITKOM-Vizepräsident Willi Berchtold. "Und die Branche hat diesen Impulsgeber für Investitionen noch nie so dringend gebraucht wie 2003."

Harms meint, angesichts des Umfeldes dürfe die Branche in Deutschland nicht mit weiteren Kosten belastet werden. Diese drohten allerdings bei Abgaben auf Drucker und PCs, durch die Umsetzung der Altgeräterichtlinie oder neue Sicherheitsauflagen in der Telekommunikation. Dennoch ist er zuversichtlich, dass die IT-Branche mittelfristig wieder eine Konjunkturlokomotive werden kann. Ein Grund sei die Stärke Deutschlands in der Infrastruktur der Telekommunikationsnetze. In einigen Feldern des Internet stehe Deutschland mit an der Spitze. 28 Prozent des gesamten europäischen Internethandels spiele sich in Deutschland ab. So betrieben 20 Prozent der deutschen Haushalte Online-Banking.

Gleichzeitig wird die Entwicklung des deutschen IT-Markts inzwischen von ausländischen Fachleuten fast ungläubig beobachtet. "Für uns besteht derzeit die größte Chance darin, den Marktanteil in Deutschland zu steigern - in einem stagnierenden Markt für Informationstechnologie." Für neue Investitionen sei das Land "weniger und weniger wettbewerbsfähig". Dieses Urteil fällt Carly Fiorina, Vorstandschefin des US-Computerriesen Hewlett-Packard (HP). Zwar rechnet auch sie mit einem auf Dauer abgeschwächten Plus der Branche. "Wir werden niemals mehr zu den Wachstumsraten von 20, 30 oder 40 Prozent zurückkehren." Doch will sie in ihrem Unternehmen um sieben bis neun Prozent jährlich zulegen.

Davon sind die meisten deutschen IT-Unternehmen weit entfernt, gerade mal 8,2 Prozent von ihnen gehen laut BITKOM-Branchenbarometer in diesem Jahr von einem mehr als zehnprozentigen Plus aus. Berchtold verweist auf Lichtblicke: "Wir haben im Jahr 2002 mit Internet- und Onlinediensten in Deutschland 6,4 Milliarden Euro umgesetzt und erwarten 2003 mehr als 7,4 Milliarden Euro. Das entspricht dem gesamten Volumen der Unterhaltungselektronik." Mit dem Start des UMTS-Angebots Ende 2003 werde Bewegung in den Markt kommen. Die Investitionen in der Telekommunikation zögen ohnehin wieder an.

Messe-Manager Raue ist vor der CeBIT angesichts der Nervosität und Spannung mit Prognosen vorsichtig. Er rechnet mit "mehr als 600 000 Besuchern". 2002 waren es noch 674 000, erstmals seit sechs Jahren deutlich weniger als 700 000. Diesmal werden wieder die Top- Entscheider aus den wichtigsten Unternehmen weltweit nach Hannover kommen, meint er. Die CeBIT habe inzwischen teilweise den Charakter eines Workshops des Top-Managements - ein Workshop, auf den in diesem Jahr die gesamte milliardenschwere Branche hofft.