Sucht

Eine halbe Million Internet-Süchtige in Deutschland?

Humboldt-Klinikum behandelt immer mehr Internet-Junkies
Von dpa / Hayo Lücke

Die Zahl von Internet-Süchtigen, die im Humboldt-Klinikum Berlin behandelt werden, nimmt mehr zu. "Vor fünf Jahren hatten wir in unserer Ambulanz gerade mal einen Internetsüchtigen pro Monat, heute kommen zwei Jugendliche in der Woche zu uns", sagte heute Werner Platz, Direktor der Humboldt-Abteilung Psychiatrie und Psychotherapie.

Die meisten von ihnen werden von ihren Eltern gebracht, sagte Platz. Sie seien beunruhigt, weil ihre Kinder meist nur noch vor dem Computer sitzen und alle anderen Interessen vernachlässigen. Experten schätzen die Zahl der Internetsüchtigen, die täglich mehr als fünf Stunden surfen, bundesweit auf eine halbe Million. In Berlin könnten es 10 000 sein.

Das Gros der Betroffenen ist nach Aussage von Platz um die 18 Jahre alt. "Sie haben keine Freunde mehr, kümmern sich auch nicht mehr um die Ausbildung oder Schule", sagte der Psychiater. Auch das Essen spiele keine Rolle mehr. Einen Großteil der Zeit werde in Chatrooms verbracht.

Das Klinikum arbeite mit Gesprächs- und Verhaltenstherapie. In einigen Fällen würden die Mediziner auch eine Depression bei dem Betroffenen feststellen, die medikamentös behandelt wird. Neben dem Humboldt-Klinikum bietet auch die Charité Therapien für Internetsüchtige an.

Das Sucht-Potential des Internet ist durchaus umstritten. So zog der Forscher Robert Kraut 2001 seine zuvor vertretene These zurück, dass das Internet einsam und depressiv mache. Trotzdem sind sich die Experten weitgehend einig, dass es für die Nutzer negative Auswirkungen hat, wenn sie übermäßig viel Zeit im Cyberspace verbringen.