Reklamationen und andere Katastrophen

Vom Leben ohne Handy

Was tun, wenn das Handy kaputt ist?
Von dpa / Marie-Anne Winter

Wer will sich noch ein Leben ohne Handy vorstellen? Überall auf den Straßen laufen wild gestikulierende Mobilfunkenthusiatsten herum, die mit unsichtbaren Gesprächspartnern verhandeln oder mit zuckenden Daumen Kurznachrichten absetzen. Jeder müßigen Minute lässt sich auf diese Weise noch ein Nutzen abgewinnen - ich kommuniziere, also bin ich. Die ständige Erreichbarkeit scheint heute so selbstverständlich, dass ihr plötzliches Abreißen als kleine Katastrophe empfunden wird. Wenn das Handy seinen Geist aufgibt, fühlt sich der Besitzer, als wäre er aus der Welt gefallen.

Dazu kommt die Unsicherheit, was in solchen Notlagen zu tun ist. Soll man sich an den Hersteller des Handys halten oder an den Mobilfunkanbieter, mit dem der Vertrag abgeschlossen wurde? Laut Helga Zander-Hayat von der Verbraucher-Zentrale NRW in Düsseldorf gibt es hier bei defekten Neugeräten eine klare Regelung: Vertragspartner ist der Verkäufer, den damit auch die gegenwärtig noch halbjährige gesetzliche Gewährleistungspflicht trifft.

Der Kauf eines Handys unterscheidet sich insoweit nicht vom Kauf eines Fernsehers oder einer Waschmaschine. Kaum jemand käme bei solchen Geräten auf die Idee, sich mit Reklamationen direkt an den Hersteller zu wenden. Genau diese Empfehlung aber bekommen viele Kunden mit auf den Weg, wenn sie mit einem defekten Handy in der Niederlassung ihres Mobilfunkanbieters vorsprechen.

In einem Shop von Viag Interkom etwa erläutert die Verkäuferin, ein Gerätetausch sei nur bis zu 48 Stunden nach dem Kauf möglich. Nach dieser Frist soll der schwarze Peter an den Hersteller übergehen. Diese Aussage steht in Widerspruch zur offiziellen Linie des Unternehmens, wonach defekte Geräte innerhalb der Garantiezeit anstandslos sogar per Kurier ersetzt werden. Auch E-Plus bietet nach eigenen Angaben einen derartigen Vor-Ort-Austauschservice an.

Bei Verbraucherschützerin Zander-Hayat häufen sich dennoch die Klagen über das Verhalten vieler Mobilfunkanbieter: "Dabei sind die Verkäufer verpflichtet, das Handy anzunehmen oder einen anderen Ablauf zu nennen, der für die Kunden genauso einfach ist." Das sei zum Beispiel nicht der Fall, wenn Betroffene an eine womöglich noch kostenpflichtige Hersteller-Hotline verwiesen werden, in der sie dann über viele Minuten festhängen.

Manchmal kann es sich jedoch lohnen, solche Unannehmlichkeiten in Kauf zu nehmen. Siemens etwa neigt dazu, defekte Geräte nicht zu reparieren, sondern einfach auszutauschen. Wenn telefonisch geklärt wurde, dass es sich um einen wirklichen Defekt handelt und die Garantiezeit noch nicht abgelaufen ist, wird ein Kurier mit einem Ersatzgerät zum Kunden geschickt. Das geht dann in jedem Fall schneller, als wenn erst noch der Mobilfunkanbieter eingeschaltet wird. "In der Regel erfolgt der Austausch innerhalb von 48 Stunden", sagt Stefan Müller von Siemens in München.

Eine Umfrage der in Stuttgart erscheinenden Zeitschrift Connect [Link entfernt] in der ersten Jahreshälfte brachte allerdings ein anderes Ergebnis: 10,5 Tage mussten die Siemens-Kunden im Schnitt warten, bis sie wieder erreichbar waren. Rund 73 Prozent der eingeschickten Geräte wurden ausgetauscht, die anderen repariert.

Etwas schneller ging der Service mit durchschnittlich 8,5 Tagen beim Konkurrenten Nokia, obwohl der stärker auf Instandsetzung vertraut. Die Finnen unterhalten so genannte Club Nokia Service Points, wo Defekte an Ort und Stelle überprüft werden. Lässt sich der Schaden nicht umgehend beheben, wird das Gerät eingeschickt. Auch Leihhandys stehen in begrenztem Umfang zur Verfügung. Zwar können nur Mitglieder des Club Nokia diesen Service nutzen. Ein spontaner Beitritt ist aber möglich.

Beim Netzbetreiber D2 Vodaphone wird zumindest Kunden des Classic-Tarifs im Rahmen eines Hol- und Bringservices ein Leihgerät für die Dauer der Reparatur ausgehändigt. Gegen eine Kaution von 150 Mark lässt sich auch beim Elektrodiscounter Saturn die Wartezeit auf diese Weise überbrücken. Einen Anspruch auf ein Leihgerät gibt es laut Verbraucherschützerin Helga Zander-Hayat nicht. Innerhalb der Gewährleistungspflicht könne man dem Verkäufer aber eine Frist für die Reparatur setzen - bei Handys rund zweieinhalb Wochen - und danach Schadenersatz geltend machen.

Bei dem "Connect"-Test wurde diese Spanne von manchen Anbietern mühelos überschritten. Zwar lag die durchschnittliche Reparaturdauer bei zehn Tagen. "Aber es gibt auch Kunden, die haben fünf Monate lang kein Handy", sagt "Connect"-Redakteur Marc Thorwartl. "Wir empfehlen daher immer, alte Geräte nicht wegzugeben, damit man im Notfall einen Ersatz hat."

Überhaupt brachte die Umfrage der Zeitschrift an den Tag, dass Handys weit häufiger defekt sind als von den Herstellern behauptet. Jedes siebte Gerät (14,25 Prozent) zeigt demnach in den ersten zwei Jahren technische Mängel. Ein Top-Modell von Nokia kam sogar auf eine Quote von 37,2 Prozent. Besonders anfällig sind der Umfrage zufolge Display und Akku. Rund 20 Prozent der Störungen gehen auf das Konto von Gehäuse und Tastatur.

Von den Herstellern wird auch gern auf Feuchtigkeitsschaden erkannt - der fällt nicht unter die Garantie. Die Drohung mit dem Anwalt oder der Verbraucherzentrale soll hier aber schon Wunder gewirkt haben. Hilfreich ist in jedem Fall der Austausch mit anderen Betroffenen. So gibt es im Internet etwa unter http://www.handykult.de [Link entfernt] Gesprächsforen zu jedem einzelnen Hersteller, aus denen sich wertvolle Verhaltenstipps für den Umgang mit dem Kundendienst gewinnen lassen.

Bevor allerdings die Pferde scheu gemacht werden, sollten Handy-Besitzer einen Blick in das Handbuch werfen. "Viele vermeintliche Defekte entpuppen sich als Bedienungs- oder Konfigurationsfehler", sagt Siemens-Sprecher Müller.