Ungerufene Geister

Der Fluch der UMTS-Lizenzen

Europas Telekom-Branche ächzt unter der Schuldenlast
Von Peter Lessmann, dpa / Marie-Anne Winter

Klein, aber fein - diese Eigenschaft gilt für den niederländischen Telekommunikationskonzern KPN schon lange nicht mehr. Bei den "Königlichen" hat sich inzwischen ein gewaltiger Schuldenberg von 23 Milliarden Euro aufgetürmt. Als dickste Brocken schlagen dabei die Kosten für den Erwerb von UMTS-Lizenzen und der milliardenschwere Mehrheitseinstieg beim drittgrößten deutschen Mobilfunkbetreiber E-Plus zu Buche.

Und die Aktionäre zahlen die Zeche: Der KPN-Aktienkurs ist in den vergangenen Tagen ins Bodenlose gefallen. "Der Weg zur Schuldenreduzierung ist einfach nicht klar", begründet Frank Wellendorf von der WestLB Panmure den Abstieg. Das Papier hat heute nur noch zwölf Prozent des Wertes von vor einem Jahr. So erreicht die gesamte Marktkapitalisierung nicht einmal die Hälfte KPN-Schulden. Ein Verkauf der Konzernperle E-Plus kommt für die Niederländer zum Schuldenabbau aber nicht in Frage.

Federn gelassen hat aber auch die Konkurrenz: Bei der finnischen Sonera [Link entfernt] , auf die die schwedische Telia ein Auge geworfen hat, wurden 85 Prozent des Aktienvermögens innerhalb eines Jahres vernichtet. Bei France Telecom und Deutsche Telekom betragen die Verluste zwei Drittel, bei British Telecom knapp 60 Prozent und dem Mobilfunkriesen Vodafone rund die Hälfte. Nur die Südländer Telecom Italia und Telefonica (Spanien) schneiden besser ab: Ihre Aktien büßten binnen Jahresfrist "nur" ein Drittel des Wertes ein. "Die Negativthemen in der Branche haben sich einfach nicht geändert", resümiert Ralf Hallmann von der Berliner Bankgesellschaft. Und hierzu gehören die hohen finanziellen UMTS-Verpflichtungen. Eine Alternative dazu hatten die Mobilfunker kaum. Doch die Finanzmärkte sind gnadenlos und fordern jetzt den Abbau der Verschuldung. So fielen allein bei KPN im ersten Quartal 2001 Zinsbelastungen von fast eine Milliarde Mark an. Auch bei anderen drücken die Zinsen mächtig auf die Gewinne.

British Telecom, das erste prominente Opfer der Konsolidierung, hat inzwischen mit der Zerschlagung des Konzerns begonnen, unter anderem wurden Beteiligungen im Ausland verkauft und der Mobilfunkbereich abgespalten (BT Wireless). Ein späterer Börsengang ist möglich. Doch viele Aktionäre haben derzeit von Telekomwerten die Nase voll. Dass die Deutsche Telekom ihre Tochter T-Mobile International in diesem Jahr noch an die Börse bringt, gilt als unwahrscheinlich - dann hat die Telekom allerdings ein Problem, weil der Börsengang die Voraussetzung für die aktuelle Streichung von der Beobachtungsliste ist, auf der Abstufungskandidaten für die Bewertung der Kreditwürdigkeit landen.

Ob Kapitalerhöhungen zur Schuldenfinanzierung beim gegenwärtigen Börsenklima aus dem Dilemma führen, bleibt abzuwarten. Offenbar steht bei KPN dieser Schritt bevor. In der Branche gelten die Niederländer ohnehin als ein Übernahmekandidat. So bestätigte E-Plus-Manager Bergheim, der auch im Vorstand der KPN sitzt, dass das Unternehmen in Europa auf Partnersuche ist. Ein früher Einstieg von Telefonica wäre die sauberste Lösung gewesen, sagen indes Analysten.

Jetzt stehen die sechs UMTS-Lizenzen in Deutschland aber einer schnellen Marktkonsolidierung entgegen. Denn alle großen Spieler sind mit von der Partie. Übernahmen oder Beteiligungen zwischen den Lizenzinhabern sind nur möglich, wenn eine UMTS-Lizenz zurückgegeben wird. Aber wer schreibt schon 16 Milliarden Mark in den Wind, bevor das Geschäft überhaupt beginnt?

Nur die Telekom Italia Mobile (TIM) wäre ein Kandidat für KPN, der nicht durch UMTS-Lizenzen auf dem deutschen Markt gebunden ist. Gemeinsam mit japanischen NTT DoCoMo, KPN Mobile und E-Plus arbeitet TIM mit den Niederländern bereits an einer mobilen Anwendung. Auf die Italiener schielt aber auch die Deutsche Telekom, die sich mit einer Kooperation oder Übernahme die UMTS-Märkte in Spanien und Frankreich erschließen könnte. Eine Rückgabe einer UMTS-Lizenz durch einen schwächelnden Anbieter ist dennoch nicht ausgeschlossen. So würde das UMTS-Geschäft der verbleibenden Mobilfunker verbessert und das eigene Überleben mit einem Partner gesichert. Möglich, sagt Telekom-Analyst Markus Schmitz von der Privatbank Hauck & Auffhäuser, dass die Börse diese Entwicklung in den Kursen schon vorweggenommen hat.