schöner Schnüffeln

TK-Überwachungsverordnung: Orwell lässt grüßen

Die Gesellschaft für Informatik warnt vor ungehemmten Abhör-Aktionen
Von Marie-Anne Winter

Der Präsident der Gesellschaft für Informatik (GI), Prof. Dr. Heinrich C. Mayr, hat die von der Regierung geplante Neufassung der Telekommunikations- überwachungsverordnung (TKÜV) als ernstzunehmende "Bedrohung der Freiheitsrechte unserer Bürgerinnen und Bürger" bezeichnet.

Mit dem von der Regierung vorgelegten Entwurf werde jegliche Telekommunikation zu jeder Zeit überwachbar, auch und gerade die über das Internet, sagt Mayr. Zu jeder E-Mail, jedem Geschäft im Internet, jedem Anruf über ein Handy, ja sogar zu jeder mobil gesendeten Textnachricht (SMS) könne (bzw. müsse) nun neben dem Inhalt automatisch das zugehörige Wer?, Wann?, Wo?, Mit wem?, Wie lange? usw. aufgezeichnet und kontrolliert werden.

Die neue Verordnung verpflichtet die Betreiber von Telekommunikationsanlagen, diese Daten zu speichern und für berechtigte Dienststellen (z.B. Strafverfolger) jederzeit bereit zu halten. Dazu der GI-Präsident: "Was die Regierung hier plant, erinnert an das Überwachungsszenario aus Orwells 1984."

Stattdessen gelte es, hohe Hemmschwellen zu errichten, damit richterliche Abhöranordnungen wirklich nur in objektiv nachvollziehbaren Ausnahmefällen außerordentlicher Dringlichkeit erteilt werden. Hier sei die Politik in höchstem Maße gefragt. "Der Löwenanteil aller Kommunikation erfolgt heute auf elektronischem Wege. Nur weil das Aufzeichnen, Kopieren und Schnüffeln hier leichter als bei der klassischen Post ist, darf man es nicht einfach tun, sondern höchstens unter sorgfältigster Abwägung aller Für und Wider. Oder wollen Sie, dass in Zukunft auch die Post jeden Brief öffnet, kopiert und mit allen Absenderabgaben irgendwo ‚mundgerecht' für Verfolgungsorgane abspeichert?" fragt Mayr.

Bei allem Verständnis für berechtigte Belange der Strafverfolgung und der Verfassungsschutzorgane belasten die Regulierungen der TKÜV Betreiber und Nutzer übergebührlich und in unzumutbarer Weise, ohne dass sie einen wirklichen Schutz gegen Kriminalität im Internet bieten. Sie verschieben den vom Gesetzgeber ursprünglich erreichten Ausgleich zwischen Überwachung und informationeller Selbstbestimmung zu Ungunsten der Freiheitsrechte der Bürger.

Die GI appelliert deshalb dringend an Regierung und Parlament, ihre Vorlage unter Einbeziehung rechtsstaatlicher Gesichtspunkte zu überarbeiten. Ehe weitere Überwachungsmaßnahmen und die Infrastrukturen dafür eingerichtet werden, sind deren Kosten und Nutzen, sowie die durch die neuen Infrastrukturen entstehenden zusätzlichen Risiken für die Sicherheit der Telekommunikation kritisch so gegeneinander abzuwägen, dass die Bewertung öffentlich nachvollziehbar ist.