Chaos

BerliKomm kappt Telefonleitungen beim Wechsel zu Arcor

Teil III der Arcor-DSL-Story
Von Frank Rebenstock

Nicht allein der Wechsel von der Deutschen Telekom zu einem anderen Anbieter, beispielsweise Arcor, ist mit Stolpersteinen gepflastert, auch der Weg von einem kleineren Regionalanbieter zu einem größeren kann für den wechselwilligen Kunden mit bösen Überraschungen enden. Diese Erfahrung jedenfalls machte der Berliner Fotograf Friedrich G., der für seine Arbeit einen schnellen DSL-Zugang ins Internet braucht. Da sein regionaler Anbieter BerliKomm derzeit DSL-Anschlüsse noch nicht anbieten kann, beschloss er Anfang des Jahres, einen Vollanschluss mit DSL-Anbindung bei Arcor zu beauftragen.

Zunächst eine angenehme Überraschung: Der Hotline-Mitarbeiter füllt bereits den Antrag aus und merkt dabei an, einen derartigen Wechsel habe man "noch nicht oft" gehabt. Daher streicht er im Vordruck "Telekom" und schreibt stattdessen "BerliKomm" darüber. Mit diesem Service hatte Friedrich G. gar nicht gerechnet und so geht der Umschaltungsauftrag Ende Januar an Arcor.

Zwischenzeitlich macht der Fotograf von seinem Sonderkündigungsrecht aufgrund der Preiserhöhung für die Internet-Einwahl bei der BerliKomm Gebrauch. Dabei wies er ausdrücklich darauf hin, dass der Anschluss bis zur Umschaltung auf Arcor fortbestehen soll. Das Bestätigungsschreiben der BerliKomm nennt zwar den 28. Februar als Datum des Vertragsende, gesteht aber ein: "Es kann allerdings wegen eines erhöhten Bearbeitungsaufkommens dazu kommen, dass sich die Umstellung zu dem anderen Anbieter verzögert. In diesem Falle wären Sie zwischen dem 01.03.2001 und dem Zeitpunkt der tatsächlichen Übernahme durch den neuen Anbieter ohne Telefonversorgung." Friedrich G. wird aber zugestanden, die "kostenpflichtige Weiterversorgung" zu beantragen. Selbstverständlich schickt unser Kunde das Fax mit diesem Auftrag gleich am nächsen Tag an seinen Netzbetreiber.

Am 22. Februar erreicht Herrn G. dann ein Schreiben von unerwarteter Seite: Die Telekom unterbreitet ihm den Vorschlag, seinen "neuen" Telefonanschluss doch bei der Telekom zu beauftragen. Ein entsprechendes Formular ist auch schon beigelegt. Verwundert, aber ohne dem Schreiben nähere Beachtung zu schenken, legt Herr G. es beiseite.

Tatsächlich aber hat der Inhalt einen ernsten Hintergrund, wenngleich das den Formulierungen nicht direkt zu entnehmen ist: Der Telekom lagen zum damaligen Zeitpunkt noch keine Informationen über den neuen Netzbetreiber des Herrn G. vor, so dass sie schlicht nicht weiss, auf wen sie die Rufnummern des BerliKomm-Kunden übertragen soll. Dass sie sich die Situation zu Nutze macht, und ihre eigenen Produkte anpreist ... nun ja.

Seit dem 28. Februar gegen 10:30 Uhr ist die Telefonleitung von Friedrich G. tot. "Eine Panne", wie uns Frau Puin von der BerliKomm inwischen bestätigt hat. Man versuche alles, um den Kunden wieder aufzuschalten und dies würde auch innerhalb von zwei Tagen gelingen, wenn die Leitung von der Telekom noch nicht komplett abgeschaltet wurde. Der Kunde jedoch geht in seinem Protestbrief davon aus, dass die Abschaltung von der BerliKomm bei der Telekom beauftragt wurde. Auch blieb uns BerliKomm eine Antwort schuldig, was passiert, wenn die Leitung tatsächlich komplett abgeschaltet wurde.

Weiter war vom Berliner Regionalnetzbetreiber zu hören, es gäbe Probleme zwischen der BerliKomm und Arcor bei der Portierung. Demzufolge müsse der Umweg über einen dritten Anbieter, zum Beispiel die Telekom, gegangen werden. Letzteres bestätigte uns auch Michael Peter, Pressesprecher von Arcor, konnte aber auch nicht genau sagen, worin diese "Probleme" bestehen. Allerdings stehen weitere Stellungnahmen zum jetzigen Zeitpunkt noch aus.

Besonders kundenunfreundlich sind zwei Aspekte: Warum liegt bis heute in der BerliKomm-Kundenkartei von Arcor kein Übernahme-Antrag vor? Und hätte der Arcor-Mitarbeiter bei der Antragsaufnahme den Neukunden nicht auf derartige "Probleme" hinweisen müssen? Unser Beispielfall Friedrich G. ist, so war von beiden Anbietern zu vernehmen, leider kein Einzelfall! Frau Puin berichtete jedenfalls, dass einem ebenfalls von einer Leitungsabschaltung betroffenen Kunden bereits geholfen werden. Herr Peter von Arcor war ein ähnlich gelagerter Fall im Zusammenspiel zwischen Arcor und der BerliKomm bekannt.

Fazit: Eine peinliche Sache für die beiden Telekom-Konkurrenten, die sich hier einmal nicht darauf berufen können, dass angeblich der Bonner Ex-Monopolist der einzig Schuldige ist. Von Herrn Peters waren Seitenhiebe auf die Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation (RegTP) zu hören: Sie sei verantwortlich dafür, dass der Wechsel von einem Regionalanbieter zu einem anderen "grundsätzlich" über die Telekom zu erfolgen hätte.

Selbst wenn dies stimmen sollte, wäre es dann nicht vordringliche Aufgabe der Telekom-Mitbewerber, die Kunden darüber umfassend zu informieren? So scheint sich der Eindruck zu verhärten, dass die Werbung und ein möglichst hohes Auftragsvolumen im Vordergrund des Anbieterinteresses stehen, der Kunde danach aber wochen- bis monatelang im Stich gelassen wird. Und dies von Anbietern, deren Interessenverbände nimmer müde werden, per Pressmitteilung darauf hinzuweisen, wie toll der Telefonmarkt funktionieren würde, wenn es die Telekom-Behinderungen nicht gäbe.