Verstrahlt

Bürger gegen Handysender

Initiativen wehren sich gegen hohe Senderdichte
Von Volker Schäfer

Vier Mobilfunknetze gibt es derzeit in Deutschland, sechs weitere wird uns der neue Handystandard UMTS in den nächsten Jahren bescheren. Neben Telefonie sind inzwischen Fax- und Datendienste möglich. Die neuen Techniken wie GPRS und UMTS werden uns in naher Zukunft zahlreiche Multimedia-Anwendungen bescheren - und das nahezu flächendeckend in ganz Deutschland.

Die Netzbetreiber sind bemüht, auch noch die letzten Versorgungslücken, die es vor allem in ländlichen Regionen nach wie vor gibt, zu schließen. Sie tragen damit zur Steigerung der Sicherheit bei. Schließlich ist es nicht unpraktisch, bei einer Autopanne nachts um 3 Uhr auf entlegener Strecke den Pannendienst rufen zu können. Bei einem Unfall kann ein Notruf via Handy sogar Leben retten. Die Situationen, in denen Mobiltelefone nicht nur ein "schickes Feature", sondern sogar lebensrettend sein können, sind gar nicht so selten.

Dennoch mehrt sich in der Bevölkerung der Unmut gegen die immer größere Anzahl von Mobilfunk-Sendestationen - insbesondere in Stadtgebieten und Ballungszentren.

Dennoch gibt es bis heute keinen zweifelsfreien Nachweis, dass von Mobilfunkstrahlen tatsächlich eine Gefahr ausgeht. Die Handysender arbeiten mit Leistungen von weit unter 100 Watt und bewegen sich damit in der Größenklasse von Füllsendern und Frequenzumsetzern im Radio- und Fernsehbereich. Rundfunksendeanlagen werden - auch mitten in Wohngebieten - mit Leistungen von bis zu 100.000 Watt betrieben. Auf dem freien Land gehen die Leistungen sogar bis 1.200.000 Watt, im Ausland gibt es sogar noch stärkere Sendeanlagen. Sender dieser Leistungsklasse, die vor allem im Lang-, Mittel- und Kurzwellenbereich betrieben werden, stammen vor allem aus der Zeit des Kalten Krieges, als Ost und West auch über die Ätherwellen "Argumente" austauschten. Für ARD und ZDF war es beispielsweise immer besonders wichtig, auch im "Osten" empfangbar zu sein. Nennenswerte gesundheitliche Probleme sind dennoch nicht bekannt geworden.

Im Vergleich mit den Megawatts der Rundfunk-Sender sollten die Kleinst-Leistungen der Mobilfunk-Basisstationen vollkommen unbedenklich sein. Doch spielt der Mobilfunk frequenzmäßig in einer anderen Liga: Je mehr Megahertz, desto stärker ist grundsätzlich die biologische Wirksamkeit. Konkrete Schadwirkungen sind bislang nur für Sender hoher Leistung, beispielsweise Radaranlagen, erwiesen, nicht aber für die oft nur wenige Straßenzüge weit reichenden Zellen der Handynetze.

Eine hohe Senderdichte sorgt sogar dafür, dass man nicht nur - trotz der immer größeren Anzahl an Handyfans - stets einen freien Funkkanal erwischt, um telefonieren zu können, sondern für eine sinkende Strahlenbelastung: Handys "merken" nämlich, wie stark sie maximal senden müssen, um noch von der Basisstation "verstanden" zu werden. Das bedeutet, dass die Sendeleistung eines Mobiltelefons nur noch wenige Milliwatt beträgt, wenn der nächste Handysender gleich um die Ecke steht. Nur wenn die Basisstation sehr weit entfernt ist, müssen die maximal möglichen 1 bis 2 Watt voll genutzt werden. Wird eine Basisstation vom Ortskern auf das freie Feld verlagert, kann es folglich passieren, dass dadurch die Belastung des Ortes sogar steigt, weil die im Ort verbliebenen Handys entsprechend stärker senden.

Trotzdem geht der Protest inzwischen sehr weit, vor allem in Hessen: Nachdem im vergangenen Jahr zeitweise ein D1-Sender in Oberursel-Bommersheim abgeschaltet werden musste, da Anwohner eine Einstweilige Verfügung erwirkten, muss VIAG Interkom nun eine Basisstation im benachbarten Bad Homburg abschalten. Die Bauaufsicht der Stadt hat sich hinter die Handygegner gestellt. Offizielle Begründung: Die Baugenossenschaft hat für das "reine Mehrfamilienhaus" keine Änderung für (teil)gewerbliche Nutzung beantragt. Ähnliche Probleme auch in Hanau-Wachenbuchen, wo Protestanten sogar aus der Kirche ausgetreten sind, weil der Pfarrer den Mobilfunkern einen Standort im Gotteshaus zur Verfügung gestellt hat.

Auch in Westfalen bekommen die Netzbetreiber mit den Kirchen Ärger. Während es die katholische Kirche den jeweiligen Gemeinden selbst überlassen will, ob sie Mobilfunkantennen in ihren Kirchtürmen duldet, soll es in evangelischen Kirchen der Region keine weiteren Handysender geben. Begründung: Es sei nicht eindeutig bewiesen, dass die von den Anlagen ausgehende Strahlung nicht gesundheitsschädlich sei. Selbst bestehende Standort-Mietverträge - davon gibt es in Westfalen 74 - sollen nach Ende der Vertragslaufzeit nicht mehr verlängert werden.

Kriminell wird es, wenn Handygegner auf Mitarbeiter von Netzbetreibern mit Mitgabeln oder Steinen losgehen, wie es unter anderem in der Wetterau und im oberbayerischen Isen vorgekommen ist. Fragt man dann nach den Beweggründen, so hört man nicht selten unsachliche Argumente. Im Fall eines D2-Senders im Münchner Osten klagten Anwohner zum Beispiel gegen ständige Kopfschmerzen, seit die Anlage in Betrieb ging. Zu dem Zeitpunkt war allerdings lediglich das Warnlicht für Flugzeuge der in der Einflugschneise des Münchner Flughafens gelegenen Basisstation in Betrieb. Der eigentliche Sender ging erst Wochen später ans Netz...