Netizen

Überleben als Gefangener im Netz

Ein Jahr lang leben nur im Internet - Werbegag oder Selbsterfahrung?
Von Axel Schmidt

Am 1. Januar 2000 wird es ernst für Mitch Maddox: An diesem Tag nämlich wird der 24-jährige Systemmanager in ein leeres Haus in Dallas ziehen. Seine einzigen Ausrüstungsgegenstände sind eine Kreditkarte sowie ein PC mit Internet-Anschluß.

Als erstes wird er dann wohl eine kleine Shopping-Tour im Netz unternehmen, damit er am Abend wenigstens ein Bett und etwas zu Essen hat. Alles, was er zum Leben braucht, muss Mitch via Internet bestellen und liefern lassen - denn er darf sein Haus nicht verlassen. Einzige Ausnahme: Tod oder schwere Erkrankung von nahen Familienangehörigen. Immerhin darf er den Garten betreten und Freunde empfangen. Diese werden ihn zumindest an seinem Namen nicht mehr erkennen, denn Mitch hat ihn für das Experiment offiziell in "Dotcomguy" umändern lassen.

Sein Anfangsgehalt ist mit 24 US-Dollar im Januar nicht gerade attraktiv, doch verdoppelt es sich monatlich. Falls Dotcomguy also bis Ende Dezember 2000 durchhalten sollte, wird er umgerechnet fast 200.000 DM verdient haben. Natürlich werden wir sein Leben 24 Stunden täglich via Streaming Webcast verfolgen können. Dotcomguy wird auch Fragestunden zu Online-Themen abhalten, die von ihm gekauften Produkte bewerten, prominente Gäste aus der Internet-Szene zu sich einladen und Emails beantworten.

Gesponsert wird dieses Y2K-Experiment von E-Commerce-Firmen, zu denen u.a. eine Bank, ein Lebensmittelhändler und ein Internetkaufhaus gehören. "Wir wollen zeigen, dass das Internet nicht nur ein sicherer und zuverlässiger Einkaufsort ist, sondern darüber hinaus auch für viele andere Dinge genutzt werden kann", hiess es in der Pressemitteilung der Veranstalter.

Davon kann sich jeder Surfer persönlich überzeugen: Dotcomguy kann vom 1. Januar 2000 an unter http://www.dotcomguy.com/ [Link entfernt] besucht werden.

Mit Sicherheit wird es dem Dotcomguy gelingen, alle benötigten Güter übers Internet zu bestellen und auch geliefert zu bekommen. Materiell wird es also an nichts fehlen. Eher schon stellt sich die Frage, welche psychischen Auswirkungen es hat, ein Jahr lang quasi im Käfig leben zu müssen, selbst, wenn dieser im letzten Monat mit 50000 Dollar vergoldet wird.