Benutzer IMHO schrieb:
Heißt das mit anderen Worten, dass es jahrelang akzeptiert war, dass die analoge Navigation [im Flugzeug] während eines Blitzschlages falsch anzeigt?
Ja. Wobei der Blitz schon sehr nah sein muss, denn ein Blitzschlag ist ja ein sehr breitbandiger Störsender, ergo in einem einzelnen schmalen Frequenzbereich dann doch nicht allzu stark. Und da ein landendes Flugzeug i.d.R. nunmal das höchste Metallobjekt in der näheren Umgebung ist, ist "naher Blitz" gleichzusetzen mit "ins Flugzeug einschlagender Blitz". Da ein fliegendes Flugzeug nicht geerdet ist, schlägt der Blitz nicht nur ins Flugzeug ein, sondern - meist an anderer, tieferer, Stelle - auch wieder "aus", von wo er dann weiter durch die Luft Richtung Erdboden geht. Die hohen Ströme (zigtausend Ampere) und die dadurch erzeugten Magnetfelder bzw. die Erwärmungen an der Außenhaut durch den Strom sind auch alles andere als harmlos. Immerhin dringt die Blitzspannung von einigen Millionen Volt nicht ins Innere ("Faradayscher Käfig").
Vor allem aber ist in Gewitterzellen, die stark genug für Blitze sind, das Wetter meist eh so unruhig (starke Schwerwinde, umgangssprachlich auch als "Luftlöcher" bezeichnet), dass die Piloten woander landen und/oder in sicherer Entfernung Kreise fliegen, bis das Gewitter nicht mehr unmittelbar über dem Flughafen ist.
Wie lange ist die Erholungsphase?
Wahrscheinlich sehr kurz. Ein Blitz ist ja ein kurzes Ereignis. Eine digitale Nachbearbeitung/Auswertung der vom analogen Peilsender empfangenen Signale kann definitiv solche kurzen, falschen, durch Blitzschlag oder andere kurze Störungen entstandenen Bursts probemlos herausfiltern. Denn die hektische Änderung des Signals während der Blitzentladung kann definitiv nicht von einer Flugzeugbewegung gekommen sein!
Hinzu kommt dann, dass weitere Datenquellen vorhanden sind, insbesondere das Trägheitsnavigationssystem und zunehmend auch GPS. Dabei ist das Trägheitsnavigationssystem extrem kurzzeitstabil (d.h., es zeigt exakt jede Beschleunigung des Flugzeugs an, und liefert einen sehr genauen Wert für die aktuelle Geschwindigkeit) aber nur bedingt langzeitstabil (d.h., wenn während eines 10-Stunden-Transatlantik-Flugs die Geschwindigkeit dauerhaft um 0,02 km/h falsch angezeigt wurde, ist das Flugzeug dann 10 * 0,02 km = 0,2 km = 200 Meter woanders, als das Trägheitsnavigationssystem glaubt). Die funkbasierten Systeme sind nun genau anders herum: Schon durch Rauschen wird das Signal immer etwas gestört, die Kurzzeitstabilität lässt zu wünschen übrig. Dafür ist die Langzeitstabilität hervorragend.
Langer Rede, kurzer Sinn: Wenn der Flugzeug-Computer die Gelegenheit hatte, sich zu Beginn des Endanflugs auf den Lande-Peilstrahl einzumessen, dann kann er damit alle während der letzten zehn Stunden Flug akkumulierten Fehler seines Trägheitsnavigationssystems korrigieren. Und während der letzten 5 Minuten macht ein frisch "eingenordetes" Trägheitsnavi dann nur noch einen Fehler von maximal einen Meter, wenn überhaupt. Sprich: Fällt der Peilstrahl direkt vor der Landung aus, kommt das Flugzeug auch mit dem eigenen System sicher runter.
Auch GPS hat eine Langzeitstabilität von wenigen Metern, und kann entsprechend mit dem Trägheitsnavi kombiniert werden. Durch spezielle Korrektursender (sogenanntes "dGPS") kann beim GPS die Genauigkeit bis in den Zentimeter-Bereich gesteigert werden.
Kai