Thread
Menü

Preistransparenz durch Minderungsrecht


14.12.2021 04:38 - Gestartet von gs33Z5JOQRCtwMfPGcp2
Die eindeutig bessere Lösung wäre schlicht und ergreifend eine generell monatliche Kündigungsfrist gewesen. Der Kunde könnte dann leicht sagen "gefällt mir nicht" und gehen.

Das schiene mir keine gute Idee, weil das Risiko bei der falschen Partei läge und ich ausserdem vermuten würde, dass das die Lenkungswirkung verfehlen würde.

Ein Teil des Problems ist, dass der Kunde ja oftmals eine Einrichtungsgebühr zahlt, und bei einer Kündigung bliebe der Kunde auf diesen Kosten ja sitzen, mglw. ohne irgendeinen Nutzen von dem Anschluss gehabt zu haben. Und selbst, wenn man die zurückbekommen würde, bliebe man als Kunde auf dem persönlichen Aufwand sitzen, den Anschluss zu bestellen und zu testen, und bei einem Fehlschlag weiter ohne Anschluss dazustehen.

Ausserdem ist das übergeordnete Problem, das es zu lösen gilt, ja eigentlich nicht die fehlende Möglichkeit, sich von einem Anbieter zu lösen, sondern die fehlende Preistransparenz.

Ohne Preistransparenz ist die Preisbildung am Markt gestört und damit der Wettbewerb behindert, und das ist vermutlich das größte Problem. Vereinfacht gesagt funktioniert die Preisbildung am Markt ja so, dass verschiedene Anbieter ähnliche Produkte anbieten - und weil der Kunde die Angebote vergleichen kann, gibt es einen Anreiz, den günstigstmöglichen Preis für ein gegebenes Produkt anzubieten.

Wenn die versprochenen Leistungen aber quasi unverbindlich sind, dann kann man eigentlich nicht mehr vergleichen. Und nicht nur kann man als Kunde nicht vergleichen, auch konkurrierende Anbieter können nicht vergleichen. Oder potentielle Neueinsteiger in den Markt. Wie soll man die Investition kalkulieren, wenn man keine Ahnung hat, was die tatsächlichen Marktpreise sind?

Ohne Preistransparenz ist übrigens auch ein Kündigungsrecht von relativ wenig Nutzen: Wenn die angebotenen Leistunden alle quasi unverbindlich sind, weiß man vorher ja nichtmal, ob sich eine Kündigung lohnt. Mglw. bestellt man danach woanders und kriegt eine noch schlechtere Leitung. Dann kann man gleich nochmal kündigen und ein drittes Mal Einrichtungsgebühr bezahlen, um wieder zurückzuwechseln.

Und das ist der Punkt, an dem das Minderungsrecht einen Nutzen bringen könnte, weil es dem Kunden den Hebel gibt, quasi Preisehrlichkeit zu erzwingen: Gesetzlich vorgesehen ist ja eine proportionale Minderung. D.h.: Bestellt man einen Anschluss mit 100 Mb/s, geliefert werden aber nur 50 Mb/s, dann muss man nur den halben Preis bezahlen, und damit wahrscheinlich weniger als wenn man einen 50 Mb/s-Anschluss bestellt hätte - und da das neue Kündigungsrecht ausschließlich dem Kunden zusteht, hieße das z.B. bei Verträgen mit einer Mindestlaufzeit von zwei Jahren, dass man dann zwei Jahre lang einen vergünstigten 50 Mb/s-Anschluss hätte, aus dem der Anbieter nicht rauskommt - außer durch Ausbau, sodass die versprochene Bandbreite erreicht wird.

Damit könnte das ganze also ein Anreiz für realistische Bandbreitenangaben sein, die man dringend für mehr Preistransparenz bräuchte.

Ein Minderungsrecht scheint mir auch insofern zielführend, dass es Kunden hilft, die nur eingeschränkte Wahlmöglichkeiten haben. Wenn man z.B. nur zwischen zwei Anbietern über Telekom-CuDa wählen kann, dann kann halt gut sein, dass beide vergleichbare Bandbreite liefern, weil die Leitung eben nicht mehr hergibt, sodass ein Wechsel in Hinsicht auf die Bandbreite keine Verbesserung bringen wird - aber das proportionale Minderungsrecht sorgt dafür, dass der Preisverleich vor Kauf funktioniert:

Wenn die Leitung nur, sagen wir, 5 Mb/s hergibt (was der Kunde aber vorher noch nicht weiss), und man hat die Wahl zwischen einem Angebot über 5 Mb/s für 20 EUR im Monat und einem über 20 Mb/s für 30 EUR im Monat, dann hat der Kunde bisher das Dilemma, dass die optimale Wahl der 5 Mb/s-Tarif wäre, da er mehr Leistung ja ohnehin nicht kriegt, er aber mglw. am Ende trotzdem 30 EUR im Monat für die Leistung bezahlt, weil er gerne einen 20 Mb/s-Anschluss gehabt hätte und deshalb diesen bestellt.

Mit dem Minderungsrecht würde er den "20 Mb/s"-Anschluss nun für 7,50 EUR im Monat bekommen.

Wobei zu vermuten ist, dass das dann natürlich gar nicht erst passieren würde, weil die Anbieter sich gleich darum kümmern werden, ihre Angebote mir realistischen Leistungsbeschreibungen zu machen, um eben nicht einen DSL-Anschluss für 7,50 EUR im Monat verschleuden zu müssen. Und damit wäre das Ziel der Preistransparenz dann erreicht.

Alles in allem sollte das Ziel IMO nicht sein, dass der Kunde leichter Anbieter ausprobieren kann, sondern dass sich das Ausprobieren erübrigt. Es ist eigentlich nicht zuviel verlangt, dass man bei Bestellung eine Bandbreite auswählt, und die wird dann zuverlässig auch geliefert. Ob Netzknoten überlastet sind, das kann ein Netzbetreiber wissen, ohne dafür den Kunden ausprobieren lassen zu müssen. Und auch bei den Kupferadern würde ich denken, dass ibs. die Telekom inzwischen genau genug wissen sollte, wo was realisierbar ist. In der Anfangszeit von DSL konnte man sicher verstehen, dass die Modelle, mit denen das vorhergesagt wurde, nicht sehr zuverlässig waren - aber inzwischen wurden ja soviele Anschlüsse geschaltet, dass man zu den meisten Anschlusspunkten sogar schon konkrete Messwerte haben müsste, sodass das als Ausrede eigentlich auch ausfällt.
Menü
[1] Maximal Bandbreite wird reduziert.
HabeHandy antwortet auf gs33Z5JOQRCtwMfPGcp2
14.12.2021 06:08
Benutzer gs33Z5JOQRCtwMfPGcp2 schrieb:
Und das ist der Punkt, an dem das Minderungsrecht einen Nutzen bringen könnte, weil es dem Kunden den Hebel gibt, quasi Preisehrlichkeit zu erzwingen: Gesetzlich vorgesehen ist ja eine proportionale Minderung. D.h.: Bestellt man einen Anschluss mit 100 Mb/s, geliefert werden aber nur 50 Mb/s, dann muss man nur den halben Preis bezahlen, und damit wahrscheinlich weniger als wenn man einen 50 Mb/s-Anschluss bestellt hätte

In der Realität bedeutet das man in Zukunft nur den 1€ billigeren 50MBit Anschluss buchen kann wenn die geforderten >90MBit des 100MBit Anschluss nicht erreicht werden kann.

Die maximal verfügbare Bandbreite wird dann extrem pessimistisch berechnet. Selbst wenn zu 75% 100MBit möglich wären gibt es dann nur 16MBit die nur 5€ günstiger als die 100MBit sind.
Menü
[1.1] gerdroot antwortet auf HabeHandy
14.12.2021 07:10
Benutzer HabeHandy schrieb:
In der Realität bedeutet das man in Zukunft nur den 1€ billigeren 50MBit Anschluss buchen kann wenn die geforderten >90MBit des 100MBit Anschluss nicht erreicht werden kann.

Die maximal verfügbare Bandbreite wird dann extrem pessimistisch berechnet. Selbst wenn zu 75% 100MBit möglich wären gibt es dann nur 16MBit die nur 5€ günstiger als die 100MBit sind.

Genau so sehe ich das auch.

Bezahle 50Mbit/s Hybrid, bekomme im Mittel 20-30 Mbit/s - natürlich mit starken Schwankungen genau dann, wenn es drauf ankommt :|
Wenn es gut läuft sind auch mal 40 drin, aber es geht auch schonmal runter auf 10 im Worst case.

Wenn ich mich jetzt laut beschwere, fürchte ich als Konsequenz, das mir langfristig der Hybrid Anschluss gar nicht mehr angeboten wird und ich meine 3-4Mbit/s Downlink via Kupfer genießen darf.

Toll.
Menü
[1.1.1] gs33Z5JOQRCtwMfPGcp2 antwortet auf gerdroot
14.12.2021 10:24
Wenn ich mich jetzt laut beschwere, fürchte ich als Konsequenz, das mir langfristig der Hybrid Anschluss gar nicht mehr angeboten wird und ich meine 3-4Mbit/s Downlink via Kupfer genießen darf.

Warum sollte das passieren? Das ergibt marktwirtschaftlich doch überhaupt keinen Sinn!

Diese Argumente basieren doch alle auf der Annahme, dass Telcos kein Geld verdienen wollen. Die derzeitigen Angebote sind keine Wohltaten für die Allgemeinheit, sondern sind für den Anbieter dafür da, Geld zu verdienen, und das wird er auch in Zukunft noch wollen. Bloß weil er in Zukunft ehrlicher die tatsächlich erreichbare Bandbreite dranscheiben muss, ist doch kein Grund, das Produkt einzustellen.
Menü
[1.2] gs33Z5JOQRCtwMfPGcp2 antwortet auf HabeHandy
14.12.2021 10:16
Nach der Logik könnte man auch argumentieren, dass die Anbieter in Zukunft alle Anschlüsse nur noch als 1 Mb/s anbieten werden, um "auf der sicheren Seite zu sein". Das lässt aber vollkommen außer Acht, dass die Anbieter immernoch Kunden haben möchten, und Kunden gewinnt man nicht, indem man extrem pessimistische Bandbreiten angibt - jedenfalls, solange es Konkurrenz gibt.

Die Kundengewinnung liefert den Anreiz, sich bei der Kalkulation der verfügbaren Bandbreite Mühe zu geben und nicht extrem pessimistisch zu rechnen. Wer stark übertriebene Werte angibt, muss mit erheblichen Preisminderungen rechnen, wer stark untertriebene Werte angibt, wird Schwierigkeiten haben, Kunden zu gewinnen - das Gleichgewicht dazwischen ist genau das, was man als Kunde haben will: Meistens werden die Bandbreiten stimmen und relativ nah am Möglichen sein, und die paar Fälle, in denen die Kalkulation falsch liegt, sind halt das Geschäftsrisiko des Anbieters.

Und außerdem ist es dem Anbieter ja nicht verboten, mehr Bandbreite als vereinbart zu liefern. Oder auch, nach Schaltung des Anschlusses mit der vereinbarten Bandbreite dem Kunden ein Angebot über eine höhere Bandbreite zu unterbreiten, wenn die Messwerte mehr zulassen.