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Ohrfeige für die deutschen Betreiber


16.11.2021 14:10 - Gestartet von wolfbln
6x geändert, zuletzt am 16.11.2021 14:39
Die Schweiz und teilweise auch Österreich strafen dem gebetsmühlenartig vorgetragenen Argument des deutschen Netzbetreiber-Trios aus Telekom, Vodafone und Telefónica Lügen und entlarven ihre überzogene Preispolitik hierzulande. Das ist in vielen anderen europäischen Ländern wie Spanien, Frankreich und Italien ähnlich, doch da steht aber meistens eine Sprachbarriere dazwischen, weshalb wir das hier nicht so merken.

X. Niehl bietet in der Schweiz über sein Netz SALT und die neue gomo Marke eine unbegrenzte Triple-Flat für unter 10€ monatlich dauerhaft, Konkurrent Sunrise kontert sogar mit einer unlimitierten Datenflat für unter 9€ pro Monat. Das sind Preise, davon können wir bei uns wirklich nur träumen. Bei uns kostet die günstigste Monatsflat 30€ mit FUNK im o2-Netz (auch mit abgespeckten Roaming) und wenn es das Telekom- oder Vodafone-Netz sein soll, ist man schnell bei etwa 80-100€ pro Monat für "unlimited", häufig nur in 2-Jahres-Verträgen.

Warum ist das so? Auffällig ist, dass die Schweizer (Swisscom, Sunrise, Salt) und Österreichischen (A1, magenta, Drei) Betreiber bis auf eine Ausnahme nicht zu unseren gierigen 3 MNO gehören, die stets dieselben Ausreden haben, die identische Leistung bei uns für das 3- bis 10-fache anzubieten ggü. z.B. der Schweiz, aber auch Frankreichs, Spaniens, Italiens......

Schauen wir uns die Argumente unserer Hochpreis-Netze mal genauer an:
(1) "Ein gutes Netz muss teuer sein" - der Autor des Artikels vertritt diese These auch gerne. Nur schneidet Sunrise stets besser als alle deutschen Netze in den Tests ab und Salt ist etwa auf dem Niveau des besten deutschen Betreibers, der das Vielfache verlangt.
-> also falsch: die Schweizer Netze sind gut, und z.T. besser als die deutschen und deutlich günstiger

(2) "Die Lohnkosten oder Lebenshaltungskosten bestimmen die hohen Preise im Land." Das Argument geht über die hohen Kosten für Service und Mitarbeiter und dass ein MNO die Leistung nach Lebenskosten variieren könnte. Einerseits liegen die Schwächen schon darin, dass die Funkmasten mit osteuropäischen Arbeitern gebaut werden oder das Call-Center in Ägypten liegt. Andererseits gibt es durchaus Länder mit niedrigeren Lohnniveau und sehr hohen Mobilfunkkosten wie Griechneland oder Zypern.
-> also auch falsch, denn Lohnniveau/Lebenshaltungskosten sind in der Schweiz klar höher, aber die Preise im Mobilfunk niedriger.

(3) Das dritte Argument geht über die Bürokratie, die Schwierigkeit Standorte zu finden, den Widerstand der lokalen Bevölkerung usw., die allesamt Deutschland zu einen so schwierigen Standort machen sollen, was nur über Mehrkosten aufzufangen ist. Nur ist der 5G-Widerstand gerade in der Deutsch-Schweiz sehr hoch und der Ausbau schon ziemlich fortgeschritten. Auch die Grenzwerte in der Schweiz sind strenger als in der EU.
-> auch falsch. Die Schweizer Betreiber stoßen lokal auf sogar mehr Widerstand und z.T. strengere Regeln als deutsche.

(4) Dann wird noch oft mit der Topographie argumentiert in Deutschland. Nur gibt es kaum ein so schwieriges Phänomen wie Hochgebirge, das große Teile der Schweiz ausmacht. Da kann man zwar in die Täler senden, wo sich die Bevölkerung ballt, aber Schweizer Betreiber decken auch Skipisten, Almhütten usw. ab, und die bekommt man nicht so leicht, weil häufig ein Berg im Weg steht. Es ist völlig unverständlich, warum gerade ein so "durchschnittliches Land" wie Deutschland was die Topographie angeht (es ist ja alles da von Küste über Flachland, Mittelgebirge zu Hochgebirge) und EU-weit ziemlich "durchschnittlicher" Bevölkerungsverteilung d.h. Verstädterung solche Ausbauprobleme hat.
-> Viele Faktoren sind in der Schweiz ähnlich oder sogar noch erschwert ggü. Deutschland und können nicht der Grund für die Mehrkosten sein.

(5) "Das EU-Roaming kostet", was im Artikel auch genannt wurde. In der Tat müssen MNOs in Deutschland EU-Roaming zum Inlandspreis anbieten oder sie funken im Ausland dann überhaupt nicht. Das trifft für alle EU-Anbieter an, aber nicht für Schweizer. Bei unlimitierten Datenflats ist das ein großes Risiko. Aber die EU hat für die MNOs vorgesorgt: wenn sie beweisen können, dass sie draufzahlen, können sie Aufpreise erheben. Sie dürfen auch eine sog. Fair Use Regel (FUP) anwenden, tun das auch und limitieren dadurch unbegrenzte Flats im Volumen oder der Dauer im Roaming.
-> richtig umgesetzt bringt das EU-Roaming den Betreibern noch Gewinn ein. Wenn einige Dauerroamer im Ausland Mehrkosten verursachen, dann dürfen sie für diese Aufpreise erheben.

(6) Dann bleibt noch das letzte Argument: die hohen Kosten für die Mobilfunklizenzen in Deutschland in den Versteigerungen, die dem Mobilfunk wie eine Abgabe entzogen werden. Das lohnt im Vergleich zur Schweiz mal genauer betrachtet zu werden, denn auch dort wird versteigert. Die Eidgenössische Kommunikationskommission (ComCom) hat zuletzt 2019 die sogenannten 5G-Frequenzen um 700 MHz (B28) und 3600 MHz (B78) für 379 Mio. Franken an die 3 MNO versteigert, etwa 360 Mio. Euro. Was haben denn die deutschen MNO im Vergleich dafür gezahlt? B28 wurde schon 2015 versteigert, als es noch vom Digital TV belegt war und war damals ein Schnäppchen. Das deutsche Trio bezahlte nur 1 Mrd. Euro dafür. Damals wusste man nichts damit anzufangen und sie waren noch nicht frei. Dafür wurden sie auch für 20 Jahre und nicht 15 Jahre wie in der Schweiz vergeben. Bei der 5G-Frequenz 3600 MHz steigerte auch 1&1 im Jahre 2019 mit und man kam auf 4 Mrd. Euro für den Bereich.

Man kann also zusammenfassend sagen, was in der Schweiz 360 Mio. kostete, wurde bei uns für 1+4 also etwa 5 Mrd. Euro versteigert, wobei die Laufzeit 25% länger bei uns ist. Jetzt muss man noch die Marktgröße berücksichtigen. In Deutschland wohnen knapp 10-mal so viele Menschen wie in der Schweiz, der Markt ist knapp 10x größer. Dann kommen wir unter Berücksichtigung der Marktgröße also auf etwa 3,5 Mrd. ggü. 5 Mrd. Euro. Wenn man jetzt noch die längere Laufzeit dazurechnet, ist der Preis ziemlich ähnlich.
-> das Argument der MNO, wonach die Auktionen in Deutschland besonders teuer sind, ist falsch. Unter Berücksichtigung der Marktgröße sind sie klar teurer als in allen Nachbarländern, aber pro-Kopf oder pro-Nutzer gerechnet etwa durchschnittlich zu anderen westeuropäischen Ländern. Entscheidender ist, was der Staat mit den Erlösen macht: sie dem Mobilfunk entzieht oder reinvestiert.

Also alle Ausreden, weshalb Mobilfunk in Deutschland so abartig teuer ist und z.B. in der Schweiz so billig, greifen irgendwie nicht. Mit diesen Angeboten von yallo oder gomo in CH und z.B. Hot oder yesss in AT kann 4G/5G-Mobilfunk tatsächlich DSL oder Kabel-Internet an vielen Stellen vollwertig ersetzen. Davon kann man in Deutschland wegen der Preise bislang nur träumen. Dies ist aber eines der wenigen bisher sinnvollen Einsatzgebiete beim 5G-Ausbau und das hat man im Süden erkannt.