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DAB+ ist obsolet und sicher nicht so ökologisch, wie man uns verkaufen will


28.04.2016 13:22 - Gestartet von DL7FOS
Wer wie ich DSR, ADR und die erste DAB-Aira miterlebt hat und bis heute auf Entschädigung für die Entsorgung eines sündhaft teuren DSR-Tuners wartet, wird wohl auf DAB+ freundlich verzichten. Zumal neben diesem Tuner auch ein ADR-Receiver und zwei teure DAB-Radios nutzlos wurden. Was dann wohl mit rund 80 Millionen UKW-Radios passiert, möchte ich mir daher nicht vorstellen, aber der Reihe nach...

Ich habe mir lange die Frage gestellt, warum ich DAB+ brauchen sollte und einen aktuellen DAB+-Empfänger verschenkt. Diesen hatte ich quasi zur Beantwortung dieser Fragestellung gekauft und in der Praxis nicht eingesetzt. Denn ich kam zu dem Schluss, dass für die häusliche Versorgung UKW und Internet-Radio ausreichend sind. Über UKW empfange ich in Mittelhessen unseren Haus- und Hof-Sender WDR2, da uns kein hessischer Radiosender zusagt. Über das Internet empfange ich daneben unsere Heimatsender des NDR, Nordwestradio, ffn-Comedy und Radio Hannover sowie weitere zig tausend ausländische Programmangebote, wie Slam aus den Niederlanden. Wozu sollte ich also ein weiteres Radiosystem anschaffen, zumal WDR2 hier nicht im DAB+-Bouquet enthalten ist? Auch hat sich meine Hörgewohnheit verändert. Früher war Radio noch Information und Musik, letztere beziehe ich über mein großes Archiv oder Streaming-Dienste. Höre ich Radio, nutze ich es als Nebenbeiberieselung oder zum Informationsgewinn, WDR2 bietet hier sogar noch interessante Spartensendungen an, die ich ganz bewusst höre.

Ich erinnere mich an die ersten Diskussionen um DAB Anfang der 90er, von Blaupunkt für den Heimbereich umgebaute Autoradios und Gewinnspiele des öffentlichrechtlichen Rundfunks, in denen DAB-Empfänger verlost wurden. Die Preise lagen um 1.000 Mark und mehr. Ende der 90er waren es noch ein bis zwei Modelle, ansonsten dominierten FM-Radios. Mitte des letzten Jahrzehnts ging es wieder los und erneut tauchten DAB-Radios auf. Ich kaufte sogar welche zu Preisen von je über 100 Euro mit dem späteren Problem, dass der notwendige He-AAC-Codec fehlt und sich der Empfang später auf UKW beschränken würde, also wieder ein Reinfall. Da die meisten Sender ihr Programm in Mono ausstrahlten, war der Klang nicht überzeugend. Für DAB+ gilt das ebenso, die verwendeten Codecs unterschreiten teils die analoge Qualität in der Auflösung. Ursächlich dafür sind die greifenden Fehlerkorrekturen, die bei schwachem Indoor-Empfang unvermeidbar sind.

Bis Mitte der 90er nutzte ich DSR-Empfang über Kabel, später einige Jahre ADR. Beide Systeme wurden hoch beworben, waren in der Qualität teils besser als DAB+ und hielten keine 15 Jahre. Hier muss man schon zugestehen, dass DAB zumindest im Grundsatz ziemlich lange durchhielt, auch wenn die einzelnen Generationen zumeist nicht miteinander kompatibel sind. Es gibt aber auch einen bitteren Beigeschmack, denn bei DAB ist absolut auffällig, wie die Lobby bestehend aus Industrie und Programmanbietern einen Hype so künstlich herauf beschwören. Dies fällt sicherlich auch dem unkundigen Konsumenten auf. So frage ich mich, ob man bei den genannten Verkaufszahlen auch Internet-Radios oder hybride Geräte mitgezählt werden, die so nebenbei über einen DAB+-Empfänger verfügen, der aber aufgrund der Internet-Nutzung gar nicht eingesetzt wird.

Auch im Punkt der ökologischen Vorteile wird gnadenlose Augenwischerei betrieben. So führt man als Argument die energieeffizienten Sendestationen an, wobei man schamlos die eigentlichen Verbraucher vernachlässigt. Zum Einen wird für das Aufschalten und die Zusatzdienste weitere Technik benötigt, hier ist unklar, ob diese bei der Berechnung mit einfließen. Weiterhin verbrauchen DAB+-Empfänger im Vergleich zu herkömmlichen Analogempfängern ungleich mehr Energie, die man sicherlich besser nicht mit einberechnen wird. Da auch bei einer konsequenten UKW-Abschaltung millionen von Radioempfängern nutzlos werden würden, muss auch die Energie zum Aufwand der Entsorgung mit einberechnet werden. Wenn jeder zweite Haushalt über ein DAB+-Empfänger verfügt, liegen in deutschen Haushalten bestimmt jeweils drei und mehr UKW-Empfänger, die quasi nicht mehr genutzt werden könnten. Mit Adaptern würde man das DAB+-Signal auch in das 4m-Band umsetzen können, aber auch diese kosten Geld und verbrauchen ENergie und müssen produziert werden. Auch hinkt der Vergleich mit dem Fernsehen gewaltig. Hier ist die Umrüstung auf Digital aus mehreren Gründen einfacher. Geräte altern schneller und werden häufiger ausgetauscht, der Satellitenempfang hat bereits Hausinstallationen erforderlich gemacht, die auch bei DVB-T bzw. dem Kabelanschluss weiter genutzt werden können. Von der Energiebilanz steht Digitalfernsehen auch nur deshalb gut dar, weil neue Geräte deutlich weniger Energie benötigen, als ihre Röhren-Pendants. Und da man auch für Gewöhnlich an einem Punkt fernsieht, ist die Umrüstung eines stationären Geräts einfacher, als im Haus verteilte Radios allesamt austauschen zu müssen, weil man mit ihnen schlichtweg gar nichts mehr empfangen würde. Dass nämlich sowohl Satelliten als auch Kabelnetze nie den UKW-Empfang in Frage stellten, sollte diese Annahme unterstreichen. Übrigens ist auch das erste DVB-T ein gutes Beispiel dafür, wie die Umrüstung eines Standards gnadenlos funktionierende Geräte entwerten kann.

Vielleicht macht auch die Einbeziehung eines ganz anderen Faktors Sinn, Generation X. Während heute jeder mit seinem Smartphone daddelt und irgendwie über YouTube oder Musik-Dienste unterhalten wird, kann er im Elternhaus noch mit Radio konfrontiert sein. Wird UKW abgeschaltet und man müsste sich über eine Alternative gedanken machen, warum sollte diese zwingend bei DAB+ enden? Apple Music bietet bereits von Haus aus, ebenso Google und Spotify, Musikspartenkanäle an. Diese übertragen ungekürzt und ununterbrochen Musik, die das Radio von der Konzeption niemals individuell auf den einzelnen Hörer zuschneiden könnte. Die Information läuft dann über soziale Netzwerke oder Apps, so dass selbst die Moderation gar nicht mehr erforderlich ist. Und selbst diese ließe sich automatisiert in den Stream integrieren.

Bevor man sich also über neue Standards Gedanken macht, wird das Radio genau wie das Fernsehen die grundsätzliche Daseinsberechtigung überdenken müssen. Denn die nächste Generation wächst heran und hier verändern sich die Gewohnheiten, das haben die Fernsehsender schon erkannt. Über kurz oder lang wäre es daher fast unwesentlich, über welche Technologie das Programm übertragen wird und es ist vielmehr die Frage, welches Programm noch notwendig sein wird, um die Gesellschaft zu unterhalten. Der Schritt weg von UKW würde diesen Prozess weg vom Radio beschleunigen. Das hat man mit der Kurzwellenabschaltung schon bewiesen, seitdem hat die Deutsche Welle zumindest einen Hörer verloren: Nämlich mich.

Und nicht zuletzt möchte ich auch die Hardware ansprechen. Stand-Alone-Radios, wie das Sangean WR-1 oder vielleicht noch Tivoli Model One sind klanglich durch gleichartige DAB+-Radios nicht zu übertreffen. Ich habe kein einziges je gehört, das mir auch in Ansätzen so gut gefiel. Bei Internet-Radios sieht das etwas anders aus, aber diese bewegen sich auch in anderen Preisregionen. Und wer meint, man könne auf UKW so einfach verzichten, solle sich in einem Radiomuseum mal ein gutes altes Röhrenradio vorführen lassen oder den KUrzwellenempfang. Radio hat nämlich seinen Sinn und Charme, das hat man offenbar bei der ganzen Diskussion vergessen. Auch der Notfallaspekt ist eine Sache, diesen kann man mit Menschen, die das Internet als gegebene Größe und stets funktionierend kennen, nicht diskutieren. Notfunk ist hier mal ein Stichwort, wen das interessiert, einfach mal danach suchen.