Nachschlagewerke

Komplexes Wissen in handlichem Format

Multimedia-Enzyklopädien haben es schwer gegen die Online-Konkurrenz
Von ddp / Marie-Anne Winter

Der Markt der Multimedia-Enzyklopädien ist übersichtlich - und könnte sich noch weiter ausdünnen. Als umfassende Nachschlagewerke auf DVD sind letztlich nur der Brockhaus multimedial und, für den englischsprachigen Raum, die Encyclopædia Britannica [Link entfernt] verblieben. Beide halten sich wacker mit aktualisierten Auflagen für das Jahr 2009. Andere, wie die Microsoft Encarta [Link entfernt] , gibt es für 2009 nicht mehr als DVD-Box. Sie wanderten ins Internet ab.

Dorthin, wo der stärkste Konkurrent wartet - Wikipedia. Dabei entführt der Brockhaus multimedial in animierte Welten, wie sie im Internet nicht ohne weiteres betreten werden können: Der 3D-Atlas mit seinen Höhenmodellen, mit denen sich der Nutzer etwa anhand des simulierten Anstiegs des Meeresspiegels die Auswirkungen des Klimawandels anzeigen lassen kann. Oder das Feature der "gläserne Mensch", das "faszinierende Einblicke in die menschliche Anatomie" gewährt, wie der Verlag wirbt. Auch die Britannica hält ähnliche Multimedia-Features bereit, sowie 160 000 weiterführende Links zu "geprüften Internetseiten". Damit zeigt sie aber an, wohin die Reise geht.

Internet als Ergänzung

Tatsächlich sind die Nachschlage-DVDs nicht mehr ohne das Internet denkbar. Das Stigma für jede Information schlechthin droht: Veraltung. "Der Redaktionsschluss liegt teils Monate vor dem Verkaufsstart", sagt Hans-Christian Dirscherl, Online-Redakteur der Zeitschrift "PC Welt". Ohne die Möglichkeit zum Online-Update, habe keine Enzyklopädie mehr Sinn. In der Regel böten die Hersteller monatlich ein Update an, das zumindest Daten und Fakten auf einen neueren Stand bringe: "Aber selbst diese Option wiegt den Aktualitätsvorsprung von Wikipedia nicht auf."

Microsoft entschied, sich mit seinem Nachschlagewerk "Encarta" aufs Internet zu konzentrieren. Für 2008 kam die bislang letzte DVD-Box in der abgespeckten Version "Lernen und Wissen" auf den Markt, die es für 2009 nur noch als Download gibt. Auf der Website de.encarta.msn.com kann redaktionell aufbereitetes Wissen abrufen, wer in einem Abonnement knapp 30 Euro im Jahr zahlt. Die Aktualisierung des Bertelsmann Universallexikons auf DVD wurde für ein Jahr ausgesetzt und für "voraussichtlich 2010" angekündigt.

Auch auf der Seite Brockhaus.de kann derzeit gegen Bezahlung Wissen gekauft werden - artikelweise. Auf Meyers Lexikon online steht das Wissen dagegen kostenlos parat. Erweiterungsvorschläge von Usern durchlaufen die Meyers-Redaktion. Dirscherl meint jedoch: "Letztlich kommt keiner gegen Wikipedia an." Denn Wikipedia ist schnell und kostenlos nutzbar.

Aktualität oder Glaubwürdigkeit

Für den Brockhaus multimedial in der Premiumedition müssen 100 Euro, für die Encyclopædia Britannica Ultimate Edition mit weniger als der Hälfte an Artikeln 50 Euro investiert werden. Der Microsoft-Download wird mit fast 60 Euro berechnet. Laut Dirscherl ist das Selbstregulierungsprinzip von Wikipedia (prinzipiell kann jeder User Wikipedia-Artikel verfassen und ändern, solange ein enzyklopädisches Niveau erreicht ist) so gut, dass es für die Erstinformation - etwa über die Bedeutung eines Begriffes - ausreichend valide Daten hergebe. Fehler, die mitunter auftauchten, seien meist schnell behoben: "Wenn es um fundierte, tiefer gehende Information geht, muss ohnehin Fachliteratur hinzugezogen werden. Aber das ist nicht der Ansatzpunkt eines Lexikons."

Aus für Dirscherl unerfindlichen Gründen startete Wikipedia einen Versuch gegen den Trend. Das Portal brachte eine Auswahl seiner Artikel zunächst auf CD-ROM, dann auf DVD heraus, und schließlich startete man vor Kurzem ein neues Buchprojekt, das für Dirscherl wohl nur mit "der Wertigkeit des Buches" an sich begründet sein kann: "Wikipedia glänzt ja gerade dadurch, dass es im Internet sehr aktuell zur Verfügung steht." Bei einer DVD oder einem Buch stelle sich dagegen die Sinnfrage: "Was hat man davon, wenn aus einer riesigen Menge an Artikeln einige ausgewählt und mit Redaktionsschluss in einem Buch abgedruckt oder auf DVD gebrannt werden?"

Auch gegen DVD-Enzyklopädien spricht der Redaktionsschluss, wenn es um brandneue Entwicklungen geht. Auf der anderen Seite sind sie keine Nachrichtenticker. Ein Argument gilt jedoch, wie Dirscherl einräumt. Redaktionen und Fachreferenten bürgten für die sachliche Richtigkeit des Produkts: "Das Pfund, mit dem Multimedia-Enzyklopädien auf DVD, allen voran der Brockhaus, wuchern, ist ihre Glaubwürdigkeit."